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American Gods: Ein Schniedel und nicht mehr

American Gods ist so stumpf wie ein Bleistift nach dem Weltuntergang. Genau wie dieser Artikel.

Diese Serie ist für Zuschauer über sechs Jahren nicht geeignet, sie ist nämlich ganz schön doof, doch das merkst du nicht, wenn du erst fünf bist. Wenn es Zack Snyder plötzlich mit Anspruch versuchen würde, käme dabei Bryan Fuller heraus. Das ist kein Kompliment, schon gar nicht für Bryan Fuller, der es sich wohl mehr und mehr zur Aufgabe macht, einen riesigen Haufen zu legen auf jedwede interessante Geschichte, die man ihm anvertraut. Neues braunes Opfer: American Gods nach einem Roman von Neil Gaiman.

American Gods zu gucken, ist ein Fehler. Immer. Selbst dann, wenn nichts anderes läuft.

Man sollte es besser wissen und gar nicht erst einschalten, traut sich dann aber doch, was ein großer Fehler ist, ein wirklich sehr, sehr großer Fehler, den man noch in seinem Sterbebett bereut, denn: American Gods ist so prätentiös, dass mir noch nicht mal gescheite Vergleiche dazu einfallen. Vielleicht so: American Gods ist so prätentios wie Nicolas Wending Refn, der seine eigenen Audiokommentare verfilmt. Die dritte Staffel von Hannibal darf man da ebenso heranziehen als Beispiel; wen wundert es, da hat Bryan Fuller sein stylisches Können dem Massenmarkt präsentiert.

Langsam gedacht

Nur stylisch ist das überhaupt nicht. Also gar nicht. Schauspieler ficken andere Schauspieler, Schauspieler lassen sich Blut in die Fresse kippen, Schauspieler schauspielern, als würden sie in Zeitlupe schauspielern, was sie dann sogar tun, weil Bryan Fuller Zeitlupe mehr liebt als Blut, sodass die meisten Szenen der bisherigen Folgen so ablaufen: Schauspieler X tritt auf, ein Assistent schüttet ihm Kunstblut ins Gesicht, weil Schauspieler X irgendwen enthauptet oder fickt oder beides gleichzeitig, das alles natürlich sehr langsam, so wie die Gedankengänge eines Bryan Fuller.

Wer sich nicht mit (guten) Filmen oder Serien auskennt, feiert American Gods mehr als die neue Staffel The Big Bang Theory. Eine inhaltlich irgendwo interessante Grundidee, die dann einfach, zum Gefallen einiger echter Kenner mit Inception als Lieblingsfilm, so miserabel, Entschuldigung, so toll gefilmt umgesetzt wird, dass man aus der ob Jubel kratzigen Kehle nur noch Liebe, Lob, Leidenschaft kotzen kann. Eigentlich ist American Gods dann auch nicht viel besser als How I Met Your Mother, The Big Bang und Konsorten. Schließlich ist das alles ziemlich bräsig.
Nein, da kommt kein “aber”.

Eine epische Serie über den Krieg der Götter vergleichen mit Sitcoms? Das muss erlaubt sein, wenn beide Formate den gleichen Anspruch erheben. Bryan Fullers Bilder verpacken nicht mehr Botschaft als der immer gleiche Witz über Sheldons soziale Inkompetenz. Dumme Dialoge bleiben auch dann noch dumm, wenn sie “intelligent” erzählt werden. Das kann David Slade, Regisseur der bisherigen Folgen, nämlich ganz gut, hat er schon bei Hard Candy bewiesen und den nicht ganz so furchtbaren Hannibal-Folgen.

Ein Funken Qualität

Unerträglich bleibt American Gods dennoch. Diese ganze “Style over Substance”-Schubladendenke trifft den Kern nicht, zumindest nicht von Fuller bis Snyder, haben die beiden doch schon formal überwältigende Abenteuer erzählt. Eine kleine Schar von Kriegern mischt die Perser mal so gehörig auf, das klingt nach einem Mythos, den sich George Lucas damals hätte nicht besser ausdenken können; leider kommt dann Zack Snyder und verlangsamt die Hälfte seines Films auf ganz schön reaktionäre Männerschlägereien in Sandalen, da drückt der Mallorca-Urlauber glatt auf den Like-Button, während er seine Frau verprügelt. Dass da mal ein Szenchen zwischen ist, das mit einem nicht ganz so dreckigen Adjektiv bewertet werden kann, ist klar. Ändert aber nichts am Endeffekt von dem Film 300: Herpes.

Manch eine Traumsequenz in American Gods ist so groß wie das Leben selbst, das sieht auch durchaus okay aus, nett eben, “bildgewaltig”, wie es manch einer sagt, aber es ist doch so: In “bildgewaltig” steckt “Gewalt” und die ist beschissen – ganz besonders in American Gods. Von daher gilt hier nicht mehr Stil über Anspruch oder Inhalt, sondern: Doofheit über Dummheit. Werbespots über Parfüm zeigen ähnliche Stilrichtungen, viele, sehr viele Regisseure finden sich mittlerweile, die opulent erzählen, sprich: übertrieben, der Geschichte vielleicht nicht zutragend, aber auch nicht störend, sondern angemessen aus dem Rahmen. Das Wort “angemessen” kennt Bryan Fuller nicht; in seinem Wortschatz steht an gleicher Stelle “Penisblut in Zeitlupe”. Sein matschäugiger Sklave David Slade jubelt zustimmend, schließlich hat er Ellen Page bereits einen Mann kastrieren lassen.

Die bisherigen vier Folgen stolpern ohne Ziel von Ort zu Ort, kein Roadmovie, eher Roadseries, was manchmal funktioniert, wenn Mr. Wednesday einen Haufen Bankkunden verscheißert zum Beispiel, da lacht man kurz, vor allem, weil Ian Mcshane das mit katzenhafter Arroganz spielt. Das steht im Kontrast zu Ricky Whittle, der als Hauptfigur den gescheiterten Ex-Knacki geben soll, darin aber leider zu sehr aufgeht, zumindest im Punkt “scheitern”, weil er offensichtlich ein gescheiterter Schauspieler ist und man nicht so recht weiß, ob er gerade schauspielert oder versucht, die Lippen von Udo Lindenberg zu lesen. Er nimmt jedweden Schwung aus den Bildern, wobei eine Kindergartenschaukel natürlich mehr schwingt, die von Klein-Timmy angestoßen wird, aber hey, immerhin!

Ein steifer Höhepunkt

In dieser überspielten Verkrampftheit stößt Emily Browning dazu, die der Serie das Gefühl gibt, als hätte man gerade erfahren, dass die Eltern gleichzeitig auch Geschwister sind. Mit ihr ist das alles zutiefst seltsam, was sogar dazu führt, dass Handybilder eines steifen Penis‘ der Höhepunkt der bisherigen Serie sind. Eine Erektion im Kampf gegen Alt und Neu, das steht doch sinnbildlich für irgendwas! – denkt sich der Student der Kommunikationswissenschaft, klappt das Macbook zu und grübelt in der Küche mit seinen WG-Kumpels bei einer Flasche Club Mate darüber, während sie sich gegenseitig Zigaretten drehen und das Auslandsjahr in Australien vorbereiten.

American Gods ist für Menschen, die Terrence Malick und David Lynch und Aleksey German nicht verstehen und von Jeff Nichols oder Alejandro Jodorowsky oder Andrew Dominik noch nie gehört haben. Eine Fülle von Gefühlen, Angst, Trauer, Freude, Leidenschaft zieren deren Filme, sie verwirren, nutzen ihre Bilder aber nie abseits der zu erzählenden Geschichte; sie stärken, doch rauben nie. Genau das missversteht American Gods: Nur durch Bilder erzählen hat bei derart hingerotzten Artsyfartsy-Abfuck noch nie funktioniert. Es muss auch etwas dahinter stecken, doch das tut es nicht. Diese Serie ist so leer wie das Verlangen Bryan Fullers, irgendwie ambitioniert zu sein. Er wiederholt sein Hannibal-Gemetzel, nur ohne Mads Mikkelsen, dafür mit dem einen da, den man schon mal hier bei Dings gesehen hat.

Wer meinen Hass nicht versteht, guckt die vierte Folge. Es folgt ein Aha-Moment. So grotesk fernab jeder Emotionalität war bislang kaum eine Serie in diesem Jahr. Dialoge, so ergiebig wie ein Gespräch mit einem Klappstuhl und Clint Eastwood; Bilder, so redundant wie ein Interview mit Ridley Scott. Dass so viel Leere so gefeiert wird, ist höchst seltsam. Schließlich konzentriert sich die Serie für den Moment dieser Folge auf das Menschliche, auf die Beziehung zwischen den Protagonisten, die ehelich scheiterten und sozial herumrülpsen – nie wird deutlicher, wie sich American Gods nur um die Bilder schert und nicht um den Inhalt, den wahren Inhalt jener Bilder. Hier wird nur ausgestellt, nicht gefühlt. Bei jeder Lobeshymne zu American Gods, weinen die Macher von The Americans, The Leftovers und True Detective.

Der Autor ist nicht Schuld

Am Buch liegt das Scheitern übrigens nicht. Das ist mehr schlecht als recht geschrieben, aber Autor Neil Gaiman kritzelt da eine wundervoll geistreiche Geschichte vieler Götter zusammen, die geerdet in den Krieg ziehen gegen die neue Welt. In der Serie ist das so unsexy wie Inzestpornofilme auf Youporn. Blutregen, Zeitlupen, Dialoge und Darsteller nervtöten; als ob so ein Mord nicht schon genug wäre, nervt American Gods dabei auch noch.

Trotz all der Fürchterlichkeit bleibe ich am Ball. Ich gucke bis zum Schluss jede Folge, solange, bis die Verantwortlichen ihrer Wichtigtuerei einen Grund geben oder Mads Mikkelsen einen blutigen Hoden in Zeitluppe isst. Und natürlich gucke ich weiter, weil das Intro wunderhübsch ist.

Wenn das Intro besser ist als die Serie, brauchen wir übrigens gar nicht mehr darüber reden, ob sich Filme in irgendeiner Form von Serien bedroht fühlen müssen. Solange es Bryan Fuller gibt, bleibt das alles nur ein Handybild, das einen Penis zeigt.

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