Film

John Wick 2: Marvel gefällt das

These: Wer John Wick 2 lobt, kennt keine guten Filme. Antithese: Wer John Wick 2 lobt, kennt nicht viele Filme. (Synthese: Bekloppter Autor.) Im formidablen Erstling überraschte Keanu Reeves noch im schwarzen Panzeranzug und schön viel Nahkampf-Pengpeng, was man so ja sonst eher selten sieht im sonst buchstäblich entfernten Actiongenre. Da wird geschossen, bis die Deckung einem Schweizer Käse gleicht und Dwayne The Rock Johnson mit einem Ferrari auf dein Haus fällt. Wie frech man nun aber das vermeintliche Erfolgsrezept kopiert (und nicht verfeinert), sollte wohl im Zeitalter gleichgeschalteter Filmuniversen kaum mehr verwundern; tut es dann aber doch, weil John Wick 2 nur den Namen ändert – und sonst alles gleich bleibt.

John Wick rummst, wummert, wämmst und bämmt, was ehrlich nicht verwundert, denn reden kann er so gut wie ein Geldautomat. In euphorisierter Geilheit jubilieren besonders US-Kritiker den zweiten Teil in ungeahnte Höhen, obwohl man dachte, das sei nach dem Erfolg des Erstlings gar nicht möglich, und natürlich konnte man falscher gar nicht legen, denn John Wick: Kapitel 2 – so der redundante Name – ist mindestens ein Gedicht der Gewalt oder irgendwas anderes mit Poesie und so.

Das ist natürlich Quatsch, weil die Action in John Wick 2 nicht einmal annähernd so durchschlagend ist, wie stets behauptet wird. Anders ist nur der Stil, hier wird im Nahkampf geschossen, unsinnigerweise maximal brutal, weil Brutalität ein Schauwert sein soll, der das Schauen aber gar nicht wert ist, weil die ständigen nicht-tödlichen Schüsse bei jedem zweiten Opfer zum Einsatz kommen. Vielleicht tickt die fiktive Welt der Auftragskiller anders, wer weiß das schon, eventuell muss man erst Kniescheibe, Bauch, Handgelenk, Ohrläppchen und Eichel wegballern, bis der Kopfschuss folgen darf.

Kapitel 2 schmeißt mit Anleihen zum ersten Teil um sich, wiederholt die Musik genau so sehr wie die (jetzt nicht mehr so tolle, weil wohlbekannte) Choreographie, müde erinnert man an Wicks verstorbene Frau und es sieht fast so aus, als hätten sie die Szenen exakt so übernommen. Statt im gar nicht so aufregenden New York poltert John Wick nun auch mal in Rom. Eine halbe Stunde lang. Schnitt. Wieder New York. Ok.

John Wick erinnert an Hulk, nur ohne dieses Grün, jetzt halt Schwarz, schließlich schaden ihm Schüsse oder Tritte oder Schnitte oder Blicke oder Spiegel oder Autos eher nicht so. Das einzige, was hier verletzt wird, ist John Wicks Stolz auf sein Gefährt. So sehr der Film auf das Überhöhen des Auftragskillers pocht, ihn als Übermensch inszeniert, obwohl das im Angesicht ungelogen über hundert Gegner – zum zweiten Mal, wohlgemerkt! – eigentlich nur noch träge ist, nutzt sich die Reihe schon jetzt ab, weil sich, naja, John Wick eben nicht abnutzt. Todesengel, schon klar, richtig fiese Wut im Bauch, verstanden, aber um derart gefährlich zu bleiben, um weiterhin als gut gekleideter Punisher zu gelten, um kollektiv für ausschweifende Lobeshymnen seiner mies ausgebildeten Gegner zu sorgen, reicht es eben nicht, wenn du das Töten deinen Rhythmus nennst, aber nie ins Stocken gerätst.

Selbst im ersten Teil überkam einen am Ende das Gefühl: Puh, endlich ist das geschafft, war süß eigentlich, durchaus, ja doch, das alles hat gut gesessen, reingehauen, tolltoll, aber jetzt reicht es auch mal, bin jetzt froh, dass es vorbei ist. Nach atemlosen Nächten braucht es auch mal eine ruhige Minute, kein Kugelhagel, sondern Nieselregen. Regisseur Chad Stahelski und Autor Derek Kolstad machen da weiter, wo sie in Teil 1 aufgehört haben – wobei, falsch: sie haben nie aufgehört. Mit einer verschnittenen Verfolgungsjagd geht es weiter und weiter und weiter und weiter, bis nichts mehr übrig bleibt von der geilen Actionfilm-Haptik des ersten Teils. Einfach, weil das hier John Wick Einspunktvier ist. Wenn überhaupt.

Zumal es nicht die Ballerei ist, die John Wick auszeichnet. Adam Wingards pulsierender The Guest zum Beispiel zelebriert das Pengpeng mit Schwung und Sexyness, da erotisiert Dan Stevens mit Waschbrettbauch und Todesgeilblick, und vibriert sehr viel mehr als die immer gleiche Abfolge von Schuss-Tritt-Armaushebeln. Auch The Equalizer mit einem herrlich vitalen Denzel Washington und Marton Csokas als gestörten Bösewicht zeigen John Wick, wie das mit der Selbstjustiz funktionieren kann. Dass der schwarze Mann mit denen auf einer Stufe steht, liegt nur daran: an dem Mythos der Killerunterwelt. In der absurd anmutenden Rettungsinsel in Form des Hotels trifft sich die junge und alte Garde, folgt Regeln, um sie draußen wieder zu brechen. Das hat was Geheimnisvolles, was den Protagonisten dieser Filme zwar auch angedichtet wird, meist aber sehr vorhersehbar bleibt (Supersoldat hier, Ex-Soldat da, Übermensch überall).

In John Wick: Kapitel 2 überfluten sich alle selbst. Plötzlich ist jeder Zweite ein Auftragskiller, jeder Hauch von Mysterium weicht Stereotypen, nach denen jede Gesellschaftsschicht in Wahrheit ein im verborgen agierender Bund aus Mördern ist. So leicht entzaubert wurde selten ein Film. Zumal John Wick im Finale seine persönliche Entfesselung bekommt, die ihm allerdings nur gegeben wird, damit er noch brachialer den dritten Teil ankündigen kann. So schnell ist John Wick dann eben auch nur Bruder im Geiste von Marvel.

In der Bösewichtfrage kommen The Equalizer und besonders The Guest deutlich schneller zur Antwort. Daran krankt Kapitel 2; stiehlt jedem Schusswechsel sogar Spannung, weil ohnehin keine Gefahr von diesen tausendfach anderswo ermordeten Typen ausgeht. Schon gar nicht von Ruby Rose, die hier als Endgegnerin so viel Furcht verbreitet wie die Drohungen von in Hildesheim aufgewachsenen Gangsta-Rappern. Für was John Wick dann noch stehen soll, ist ungewiss. Herausragend gefilmt ist selbst das okaye Finale nicht; man stellt sich sogar eher vor, was fähigere Regisseure wie Adam Wingard oder Cary Fukunaga daraus Brillantes geformt hätten.

So steht plötzlich ein Überraschungshit einer gelangweilten Box-Office-Überzeugungsmaschinerie gegenüber, der Geburt einer ordentlich gefeierten Marke.

Mich würde es dann auch nicht mehr wundern, wenn John Wick im dritten Teil gegen Iron Man kämpft – und gewinnt.

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