Ordnungshüter dürfen gerne Mörder sein. Solange es Fiktion ist. Es ist beinahe grotesk, wie sehr das (vermeintlich kaputte) Polizei-Milieu die Zuschauer fasziniert. Im krächzendem Wochentakt kündigen Fernsehsender und Studios Fortführungen bestehender Konzepte an oder entwickeln ein hochgradig bleiernes Stück Film mit den natürlich härtesten Geschöpfen unter Gottes Sonne: Polizisten, Bullen, Cops, Detectives.
Dass allenfalls ein furchtbar durchgekautes Klischee bei den Zuschauern ankommt, die auf Böse und Versoffene und Wahnsinnige im Dienste der Polizei abfahren – das ist, hm, befremdlich. Ausgerechnet Woody Harrelson also steht seinen grimmigen Mann im Cop-Film Rampart. Insofern ist das in erster Linie sehr faszinierend, betrachtet man seine jüngste Rolle in der HBO-Serie True Detective; zusammen genommen spielt er in Rampart so etwas wie einen filmischen Zwilling, entgegengesetzt in der Moral, aber in privater Natur verbunden.
Ihre Leben driften ins Abseits, vornehmlich, weil sie dumme Arschlöcher sind und das ganz besonders ihre Familien spüren lassen. In ihrer Arbeit schuften sie zwar nicht immer in graziler Demut im Angesicht jener großen Verantwortung, die Polizisten mit viel Geschick stemmen müssen – aber meist oder oft oder eher manchmal richten sie anständig über die, die es verdient haben.
Regisseur Dave Overman lässt dieses Kapitel bis auf einige Bemerkungen aus. Dave Brown (Woody Harrelson) legt sofort los als mieser Wichser, indem er seine neue Kollegin zwingt, Pommes zu essen. Brown hat keinen Anstand, und sollte er überhaupt wissen, was das ist, dann nur, weil ein ausländischer Mitbürger unter Browns Knien begraben nach der Definition gefragt wird. Als er einen Verdächtigen fast tot schlägt und eine Kamera das filmt, trägt Brown von nun an das Brandzeichen des Gehassten. Verdient, möchte man sagen. Endlich!
Tatsächlich sorgte der Rampart-Skandal in den 90er Jahren von Los Angeles für große Aufregung, weil mehr und mehr Polizisten in Drogenmissbrauch, Korruption und Polizeigewalt involviert waren. Overman nimmt das nur grob auf, denn sein Protagonist ist nun die Hauptfigur der Medien, der Zunder für das sich anbahnende Feuerwerk von Recht und Ordnung.
Eine explosive Zeitspanne, die sich Regisseur Overman da aussucht. Ausgerechnet in diesen medial völlig ausufernden Zeiten und vielen kleinen und großen Geschichten von unverbesserlichen Cops, findet er zu keiner Minute Zugang zu Brown, seiner unwirklichen Familiensituation oder dem gebeutelten Los Angeles. Man mag es sich kaum vorstellen, bei so einer Überpräsenz an fantastischen Schauspielern: Robin Wright, Steve Buscemi, Brie Larson, Sigourney Weaver, Ben Foster.
Einzig Woody Harrelson schenkt dem Film einen Grund fürs Dasein. Selbst die schlanken 104 Minuten fühlen sich zuweilen verletzend langweilig an, aber selbst von dümmlichen Dialogen umgeben und einem roten Faden, der irgendwo zwischen Casting und Drehbeginn im Mülleimer landete, also selbst bei diesem verhunzten Film ist es Harrelson, dem ich eine großartige Charakterstudie verdanke. Brown mag als rassistischer und homophober Polizist nur einer von vielen sein unter den Cops, aber sein Abdriften in unbekannte, weil isolierte Welten lässt ihn hadern mit seiner Welt – nicht aber mit seinen Handlungsweisen, die er durch unbändigen Drogenkonsum eher noch verschlimmert.
Manchmal sieht Müll aus wie Müll aussehen soll; man kann ihn erkennen und guckt widerwärtig und macht einen Bogen darum. Rampart ist genau so Müll wie sein Protagonist Brown – aber man sollte sich nicht abwenden, denn der Drang, sich abzuwenden, wird noch viel schlimmer, wenn man Harrelsons gnadenlosen Zerfall erblickt.
Das ist großes Schauspielkino. Halt unter sehr viel Dreck.