Film

The Guest – Wenn der Killer zwei mal klingelt

The Guest wird oft mit Drive verglichen. Ziemlich unfair eigentlich, weil The Guest bereits in zehn Minuten mehr Stil zeigt als so ziemlich jeder andere Film in den vergangenen Jahren. Ohne Ryan Gosling und ohne Nicolas Winding Refn, bleibt diesem extravaganten und in jeder Hinsicht beeindruckenden Film lediglich ein verkümmerter Platz im DVD-Regal. Fraglich bleibt also weiterhin, wann Regisseur Adam Wingard und sein Drehbuchautor Simon Barret – und die zur Mumblegore-Bewegung gehörenden Ti West (The Inkeepers) und E.L. Katz (Cheap Thrills) – endlich den Ruhm erlangen, die sie angesichts ihrer brillanten und so kaum zu durchschauenden Filme verdient haben.

Ein bisschen Home-Invasion schimmert in The Guest durch, so glaubt man zumindest, am Ende eher sogar Town-Invasion, wenn das herrlich überzogene und kunterbunte Finale hereinbricht. Nach seinem großartigen You’re Next stürzt sich Wingard erneut auf allerlei Genre- und Klassiker-Zitate, die er mit perfektem Timing und größtmöglichem Respekt mischt und so ein ums andere mal an das 80er-Jahre-Kino erinnert, jedoch nie im plumpe Replik verfällt.

Als die Familie Peterson um den im Krieg gefallenen Sohn Caleb trauert, steht der Erlöser vor der Tür: David (Dan Stevens) ist ein angeblicher Kamerad von Caleb und schwor, den Petersons zu helfen. Sexy as fuck mit Augen, die das Meer gefangen halten, da hält auch Mutter Laura (Sheily Kelly) nicht stand. Lediglich der Vater Spencer (Leland Orser) misstraut ihm – aber das legt sich nach fünf Minuten. So sitzt David inmitten einer trauernden Familie im Zimmer des verstorbenen Sohnes und blickt direkt in die Kamera. Der Terror kann beginnen.

Wann immer The Guest die Richtung ändert und konsequent sowohl Gewaltspitzen als auch wahre Gewaltexzesse abwechselt – stets überrascht es. An ein Genrefilm ist nicht zu denken, atmosphärische Vorbilder wie Halloween sind zu spüren, aber kaum mehr als ein vager Hinweis auf die Großen und Kleinen vergangener Jahre. Vor allem Dan Stevens in seiner erschütternd charmanten Brutalität verblüfft beinahe sekündlich, gerade dann, wenn er in den Zustand der Killermaschine wechselt. Oh, wehe dem, der sich ihm in den Weg stellt.

In einer formidablen Kneipenschlägerei demonstriert er seine Macht, die unwirklich erscheint, weil bereits nach dem Grollen in den ersten Sekunden des Films klar ist, wohin der Film zu gehen scheint, es aber von Minute zu Minute undurchsichtiger wird. Voraussehen lässt sich nichts, auch dann nicht, als Tochter Anna (Maika Monroe, It Follows) beim Militär durchklingelt, um zu erfahren, wer David nun wirklich ist.

Die Antwort gefällt nicht, weil es keine gibt. Mehr und mehr erkennt auch der Zuschauer, dass der anfängliche Charme für David eine Falle war, und man bemüht sich, ihm die ersten Gewaltaussetzer doch übel zu nehmen, was spätestens dann gelingt, wenn The Guest erneut seine Richtung um 180 Grad dreht und mit dem Auftritt von Lance Riddick aus The Wire alles über den Haufen wirft, was anfangs gemächlich etabliert wurde. Von nun an gibt es auf die Fresse und es war selten schöner, verspielter und vor allem stilsicherer als hier.

Warum The Guest sich (manchmal) mit Drive messen lassen muss, bleibt indes unklar. Zumal Dan Stevens einen derart imposanten Bösewicht verkörpert, der in Sekundenschnelle von handzahm zu Hand ab wechselt; daneben kann der zum Kult avancierte und von Ryan Gosling gespielte Fahrer nur als trauriger Bubi mit Stocksteif-Syndrom verlieren. Aber wenn es doch zum Vergleich kommt, ist es klar, wer den Kürzeren zieht: Gegen The Guest ist Drive formal interessantes, aber unverschämt einfalls- und vor allem seelenloses Kino.

The Guest, USA 2014 – Regie: Adam Wingard – Drehbuch: Adam Wingard und Simon Barret – Darsteller: Dan Stevens, Maika Monroe, Brendan Meyer, Lance Riddick, Sheila Kelley – Musik: Steve Moore – Kamera: Robby Baumgartner – FSK 18 – Laufzeit: 100 Minuten

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