Film

Nicht die besten, sondern interessantesten Filme 2017

Wir sollten öfter doofe Filme gucken. Es bereichert Leben.

Auch über 200 geschaute Filme im vergangenen Jahr sind nicht genug. Es ist nie genug. Ein Fazit will ich dennoch ziehen: naja geht so. Deswegen schreibe ich keine lähmende Liste der zehn besten Filme aus 2017, sondern schnacke so ein bisschen über die abseitigen, doofen, irritierenden Werke.

Denn die muss ja auch irgendwer gucken. Hier meine Auswahl von Filmen, über die man gepflegt diskutieren kann. Sind das nicht schließlich doch: die Besten?

Geeignetster Moment, an dem man sich fragt, was eigentlich aus Joe Swanberg geworden ist: Win It All. Und die Antwort lautet: irgendwie nicht viel, was auch für diesen kraftlosen, wohl als lebensnah gedachten Film gilt. Das ist sehr, sehr traurig, weil Swanberg eigentlich sehr, sehr gut ist. Ach, puh. Da hilft nur Bier und die leise Hoffnung, dass Filmemacher Ti West ihn wieder zur Vernunft bringt. Wenn er als Schauspieler auch weiterhin in grandiosen Filmen spielt – wie You’re Next oder The Sacrament -, ist am Ende eigentlich doch alles wieder gut.

Bester Film zum maximalen Vergessen: The Discovery. Jason Segel schlürft zu seinem Vater. Keine Pointe.

Bester Film, der viel Potenzial hatte, dann aber doch nichts wurde: Fremd in der Welt. Macon Blair mag unter Regisseur Jeremy Saulnier (Blue Ruin) ja herrlich abgründig Rache üben, als Regisseur hingegen flirtet er mit Menschenverachtung. Wer so gekonnt Talent verschwendet von Elijah Wood und Melanie Lynskey, inszeniert wohl bald den neuen Marvelfilm. Schön, dass man das mittlerweile so gut erahnen kann.

Verkopftester Film, der eigentlich nur langweilig ist: Der unsichtbare Gast. Da wird am Ende eine halbe Stunde lang mit epischer Musik zweifelhaft eine irgendwie geartete Atmosphäre heraufzubeschwören versucht, mit einem Twist, der nicht twistert, eher säuselt. Lahm.

Der “Gleich erst mal googeln”-Award geht an: “mother!”. So behämmert kann Aronofsky schon seit Noah, jetzt aber mit Anlauf in die Eskalation. Einige Momente sind in ihrer Ekstase, ihrer uneindeutigen Eindeutigkeit so herrlich dödelig, dass ich nicht nur meckern kann. Jennifer Lawrence spielt sich mit bestienhafter Wachsamkeit über alles und jeden, erst beobachtend, dann atombombig.

Lautester Film, den trotzdem alle zu verstehen glauben: Dunkirk. Sicherlich interessanter als der meiste Hollywoodquark, hämmert Hans Zimmer irgendwas in die Trompeten, wobei, könnten auch Trommeln sein, hab ich nicht hören können, weil das alles nur noch nervte. Ohnehin schrubbt sich jeder Filmnerd auf Zimmer seinen Penis, was nicht verkehrt ist, also Selbstbefriedigung, ist sogar schön manchmal, aber wenn ein Komponist seine besten Musikthemen nach und nach wiederholt, ist das dann auch nicht mehr als Gewichse auf das eigene Tun.

Bester Film, von dem sich Marvel alles abschauen sollte: Valerian. Wenn Cara Delevingne im Hochzeitskleid gegessen werden soll und nur Rihanna sie retten kann, aber das alles irgendwie doch verwirrt, bin ich hin und weg. So bunt, so befreit von Zwängen liebe ich Luc Besson. Hach, wie schön allein die Kamerafahrt über den Flohmarkt in der Wüste in einer Simulation – hä? – verzaubert! Vielleicht 20 Minuten zu lang. Müsste ich wählen, könnte ich aber auch keine Szene entfernen, weil ich das zu sehr liebe.

Miesester Marvelfilm: John Wick 2. Jede Minute erwartet man Iron Man, der sich mit John Wick anlegt – und verliert. Mehr als Hunde liebe ich nur Keanu Reeves, aber das Ding kann auch unter Comicverfilmungsflagge laufen und man würde es nicht merken. Alles größer, alles doofer. Trotzdem erfolgreich. Will, kann ich nicht verstehen. Erfolg bedeutet ja zum Glück nicht viel, nur: Wir bekommen immer mehr vom Gleichen, bis es eben nicht mehr erfolgreich ist. Dann kommt etwas anderes. Buchverfilmungen vielleicht.

Bester Film mit dem interessantesten Titel und dann steckt da wirklich was hinter: I Am Not a Serial Killer. Hauptdarsteller Max Records beeindruckte mich schon nach Wo die wilden Kerle wohnen, als ein von Leichen besessener Teenager mag ich ihn noch mehr. Ich sag mal: todesgut. Am Schluss holpert es ein bisschen, aber nicht der Film, sondern das Ding da. Ihr werdet verstehen.

Bester Film, um meine Lust auf Brad Pitt zu befriedigen: War Machine. Wie er von Soldat zu Soldat stelzt und langsam merkt, dass Krieg nicht nur schießen, sondern auch scheißen bedeutet, ist herrlich vibrierend für mein Fanboytum. Abseits davon ist der Film eigentlich unmega, wie so ein extravagantes Stück Fleisch, das durch den Fleischwolf gehetzt wird und steckenbleibt. Auf so eine Sauerei hat doch niemand Lust. Brad Pitt offensichtlich schon, aber er darf das. Solang es nicht Wild Wild West wird.

Bester Moment, um zu begreifen, dass Rebecca Ferguson von nun an für sehr viel Aufsehen sorgen wird: ihr letzter Schrei in Life. Das klingt ja manchmal komisch, wenn man so sagt, dass jemand etwas ausstrahle, aber wirklich, sie macht das. Bisschen was kaltes. So, als ob eine Berührung von ihr einen ganzen Landstrich auslöschen könnte; eine Königin, die aufopfernd für das eigene Volk über Leichen geht und dabei bunte Bilder malt. Bin verliebt!

Bester Film, um sich über die zweite Hälfte zu wundern: Wilson. Natürlich kann man damit rechnen, wenn Woody Harrelson sich mit Herz durch die Gegend schikaniert, die Augenbrauen erhebt es dann doch. Wie Laura Dern zuschlägt, ändert alles und mich ohnehin, weil sie so toll ist. Ein Film, der sich so anfühlt wie die Farbe Grün: schon unangenehm, aber auch bisschen frisch.

Absolut unerträglichster Film des Jahres: Baby Driver. So einen ausgestellten, zweifelhaften Männerkitsch habe ich schon lange nicht mehr gesehen. Ein zur geballter Faust provozierender Kackfilm, der seine Charaktere mit jedem Dialog insgeheim auslacht. Jede filmische Trickserei provoziert dümmliche Youtube-“Essays”, die über das vermeintliche Genie von Regisseur Wright palavern, ohne auch nur einen validen Punkt zu nennen. Bäh.

Bester Film, den die meisten anderen doof fanden, was ja eigentlich bedeutet, dass er gar nicht doof ist: Power Rangers. Da steckte ein bisschen Leidenschaft drin, aber das mochte man ja schon nicht in Fantastic 4 von Josh Trank, also seid halt still und äh, selber doof!

Charmantester Film, der eigentlich am 29.12.2016 erschien, das streng genommen aber schon 2017 war: Love & Friendship. Ein vergnüglicher, im besten Sinne intriganter Film mit einer Kate Beckinsale, die ihr inneres Biest mit Eitelkeit versteckt. Ich bin ihr größter Fan, seit immer und für ewig. Herzchen!

Der jetzt wirklich beste Film des Jahres: Die irre Heldentour des Billy Lynn. Immer noch fehlen mir die Worte für Ang Lees neues Meisterwerk. Er porträtiert den Krieg auf der Bühne mit Feuer und Flamme, weg vom Katastrophengebiet. Der Kampf geht Zuhause weiter, und in den Augen von Newcomer Joe Alwyn steckt ein erschütternder Weltschmerz.

Eigentlich auch bester Film des Jahres: Personal Shopper. Ich habe mir die letzte Szene bestimmt 20 mal angeguckt und bin immer noch verdaddert. Und wie immer liefert Kristen Stewart, was ich eigentlich nur noch von ihr erwarte (und stets bekomme): Perfektion.

Schönste Idee: Das stille Ende der Menschheit in Bokeh. Das verdankt man in erster Linie der Schönheit von Island, in der Maika Monroe einen Sinn sucht, wenn alle anderen nicht mehr sind. Bisschen verkitscht, aber das verzeihe ich. Maika Monroe und Island, da sollte jeder verzeihen können.

Interessantester Film über den Kriegsalltag: Sand Castle. Leider fühle ich mich immer ein bisschen seltsam, wenn ich Nicholas Hoult sehe, aber viel wichtiger ist hier ohnehin Logan Marshall-Green – und Henry Cavills bemalter Hund. Im Krieg kann der Schrecken auch abseits der Schlachtfelder wüten, in der Monotonie zum Beispiel – oder in unbestätigten Vorurteilen.

Bester Film für die Erkenntnis, dass Hailee Steinfeld einen neuen Manager braucht: The Edge of Seventeen. Sie ist phänomenal witzig und ich wünsche ihr, dass sie ihre sicherlich durchgeplante Musikkarriere aufgibt. Sie und wir hätten es verdient.

Komischster Film, um nach Jim Carrey zu suchen: The Bad Patch. Ich habe ihn nicht gefunden. Googeln musste ich, entschuldigt. Und ich dann so: Okay cool, läuft bei ihm. Aber nicht der Film, in dem er mitspielt. Der humpelt. Wie die Hauptdarstellerin. Der Kreis schließt sich.

Süßester Film über eine lesbische Liebe: Below Her Mouth. Schmusen auf dem Karussell, Geschichten aus der Vergangenheit am Strand und ein Soundtrack, der klingt, als pupse ihn ein Wal. Bisschen zu kitschig und verträumt, aber die Chemie zwischen den beiden Hauptdarstellerinnen ist wunderschön.

Verwirrendster Film nach einem Schuss: Free Fire. Wer wo motzt, kann ich nicht mehr ganz nacherzählen. Auch das Sterben konnte ich mir nicht gut merken, liegt vielleicht an der alten Fabrik, in der – und nur dort – geballert wird bis der Kopf platzt. Regisseur Ben Wheatley beweist erneut, dass er zu den spannendsten Filmemachern der Gegenwart gehört.

Mel Gibsons liebster Film, den er nicht selbst gedreht hat: The Birth of a Nation. Eine ohne Zweifel bewegende Geschichte eines Mannes, der Unrecht mit noch mehr Unrecht straft und dafür zum Engel erhoben wird. Widerliches Pathoskino ohne Zwischentöne, das tote Kinder für nötig erachtet.

Mel Gibsons liebster Film, den er selbst gedreht hat: Hacksaw Ridge. Eine ohne Zweifel bewegende Geschichte eines Mannes, der Unrecht mit Egoismus straft und dafür zum Engel erhoben wird. Widerliches Pathoskino ohne Zwischentöne, in dem der Held Massenmord gutheißt, solange er die Waffe nicht selbst betätigen muss.

Miesester Film mit der vielversprechendsten Idee: Man Down. Ein jämmerlicher Shia LaBeouf sabbert sich in die schauspielerische Ekstase. Dialoge stammen hier aus einer ADAC-Broschüre, wenn überhaupt. Nichts ergibt Sinn, obwohl der Grundgedanke anfangs noch maximal interessiert. Gary Oldman und Kate Mara sollten eine Qualitätssicherung engagieren.

Monströsester Film: Colossal. Da bleibt mir glatt der Godzilla im Halse stecken, so brillant ist dieser Film! Anne Hathaway bekämpft ihre Dämonen und tötet unbeabsichtigt ein paar Menschen, weil sie ein Monster steuert. Anfangs noch sich bestätigte Vermutungen zerbersten, je deutlicher das Leid wird. Ich applaudiere!

Ohrwurmigster Film: The Greasy Strangler. Von der Suche nach dem Bratfett-Killer hält Regisseur Jim Hosking nicht viel, von öligem Kaffee und steilem Tanzen umso mehr. Wer nach diesem Film noch seelenruhig Grapefruit essen kann, ist ein Stein. Absurd von Anfang bis Ende und das ist auch gut so.

Der Film, der ungefähr 163 Minuten zu lang ist: Blade Runner 2049. War was?

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