Nichts gruselt mehr in diesem Film als die Eltern, die mit ihrem Kind toben. Wohlgemerkt: Kill List zeigt zwei meuchelnde Auftragskiller, und dennoch verzieht das familiäre Beisammensein die kreischende Fratze, wenn Chöre und Gepfeife ein Unheil verkünden, das mehr einschüchtert als jeder Kopfschuss.
Kill List ist einer der unangenehmsten Filme, die ich je gesehen habe. Er verkörpert das Böse sowohl im Massaker als auch in der Bitte um Entschuldigung. Die Musik lauert den Charakteren auf, so als ob sie weiß, was passiert, das Böse vorwegnimmt, gar ankündigt. Regisseur Ben Wheatley prescht vor und baut diese pure Atmosphäre ganz ohne einen Kill auf.
Die beiden Auftragsmörder sind anfangs in erster Linie Individuen mit Partner und Alkoholvorliebe, die einander anschreien und entwürdigen. Wheatley entmenschlicht bereits beim Abendessen, baut Spannung dort auf, wo es nichts zu fürchten gibt; ein zu tiefer Schnitt beim Rasieren, das Hinaussehen aus dem Fenster, die Gute-Nacht-Geschichte, es ist ein sprunghafter Wechsel von kaputter Familie zu kaputter Seele. Irgendwann ist kein Unterschied mehr zu erkennen, alles wird eine einzige Form des Grauens, die aus Hämmern, Schrotflinten und Gesichtern besteht, zusammengehalten von der brillanten Musik, die keinem Muster folgt, sondern in jeder Emotion – sogar den vermeintlich positiven – das unvorhersehbare Scheitern offenlegt.
Deshalb irritiert Kill List selbst in eigentlich liebevollen Momenten, die Wheatley und Drehbuchautorin Amy Jump auch nach der Gewalt noch zeigen. Ein Kuss, ein Blick, eine Umarmung, aber nie eine Versöhnung, nur das Hinauszögern dessen, was sich im mitleidigen Wahn des Protagonisten längst anbahnt. Mord und Totschlag sind in deren Leben genau so inbegriffen wie Geldsorgen und Beziehungsstress, und kaum ein Film vereint das mit so einem Terror wie Kill List.
Bald mündet jedes Wort wie das Feuer der Pistolen im Tod. Manchmal wird es gar nicht gezeigt, nur die Überreste, die die Killer zermatscht oder erschossen haben, nichts Menschliches bleibt übrig, nicht bei den Toten und auch nicht bei den Tätern. Am Ende sind sie vereint mit ihren Dämonen, und so wie es scheint, akzeptieren sie es. Das macht Kill List greifbar: Wie sich Menschen mit dem Bösen arrangieren, bis sie selbst nicht mehr sind.
Ein Meisterwerk, das ich nie wieder sehen will.
Kill List, GB 2011 // Regie: Ben Wheatley // Drehbuch: Ben Wheatley und Amy Jump // Darsteller: Neil Maskell, MyAnna Buring, Michael Smiley, Emma Fryer, Harry Simpson // Kamera: Laurie Rose // Musik: Jim Williams // Schnitt: Robin Hill // Laufzeit: 92 Minuten // FSK 18