Film

Der Fremde am See: Erst der Mord, dann der Sex

Sommer, Sonne, Sonnenschein in Frankreich. Und ein Toter. Dagegen hilft nur das reine Vergnügen.

Vor jedem Fick kommt der Blick. Die Augen bekunden hier stets Interesse an zweierlei: Lust und Frust. Wer am See ankommt, wird durchleuchtet von den Blicken derer, die bereits warten; sie warten auf einen Spaziergang im nahe gelegenen Wald, der bestenfalls in Sex enden soll, andererseits brutzeln sie am See, weil ihnen kein Mann gefällt, also Frust. Auch, weil nach einem Mord im See jedes Augenpaar etwas zu verraten oder zumindest zu vermuten scheint. Queere Erotik im Angesicht des Todes? Ultrakunst.

Regisseur Alain Guiraudie bewegt sich zuweilen wie ein Dokumentarfilmer durch jene Blicke. Wenig später inszeniert er den Kommissar der Polizei wie eine Schildkröte mit Fähigkeiten der Teleportation. So witzig das sein mag, haftet daran auch immer eine anziehende Mystik; offenbar wird sie beispielsweise auch dann, wenn der besonders lange Fisch dieses oder jenes getan haben soll.

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© Alamode Filmdistribution

Absurd ist es dann aber gar nicht mehr, wenn Guiraudie über das Begehren erzählen will, das aufgeht in der Freundschaft, sich in der Liebe nicht zügelt und auch in der Nacht noch so laut ist wie die Rufe eines Mannes nach Liebe oder Hilfe oder beides.

Vielleicht langweilt das sexuelle Abenteuer, das Cruisen im Wald irgendwann, vielleicht ist der Typ, der sich immer nur selbstbefriedigt, wenn andere miteinander schlafen, deswegen eine willkommene Abwechslung. Das reicht der Hauptfigur indes nicht, es muss schon mindestens Mord sein. Die Tat gefällt ihm nicht. Ihm gefällt der Mörder.

(Mir auch ein bisschen.)

Wo also leidenschaftlich im Gras gelegen und geblasen, geritten und gewichst wird, wo ein Schnauzer selten so unverschämt heiß war, wo im Gebüsch gerammelt und gelogen wird, zweifelt der Liebende davor, danach und währenddessen an seiner vermeintlichen: Liebe. Wo sie aufhört, weiß in Der Fremde am See vermutlich niemand.

Besonders dann nicht, wenn im Wald kein Stöhnen mehr erklingt, sondern Stille. Oder besser: Totenstille.

Der Fremde am See, Frankreich 2013 // Regie und Drehbuch: Alain Guiraudie // Darsteller: Pierre Deladonchamps, Christophe Paou, Patrick d’Assumcao, Jérôme Chappatte, Mathieu Vervisch // Kamera: Claire Mathon // Schnitt: Jean-Christophe Hym // Laufzeit: 100 Minuten // FSK 16

Trailer

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