Medienkritik

Red Dead Redemption 2 und das Schweigen der GameStar

Endlich, Leute, endlich: Red Dead Redemption 2 erscheint! Während die Presse sich aufgeilt an 24-sekündigen Videos, verschwindet ein Thema im Hintergrund: die problematischen Arbeitszeiten.

Dan Houser von Rockstar sagte in einem Interview, dass 100-Stunden-Wochen in der Entwicklung von Red Dead Redemption 2 nötig waren für die rechtzeitige Fertigstellung des Spiels. Diese Überstunden heißen „crunch time“, sie sind Gang und Gäbe in der Branche – und werden zurecht immer wieder kritisiert. Rockstar ruderte nach viel Kritik zurück, lockerte Social-Media-Richtlinien und stellte einiges klar. Zumindest versuchten sie das.

Dennoch: Menschenunwürdige Arbeitszeiten zerstören Existenzen, genau deswegen berichteten mehrere Medien darüber. Höhepunkt der Debatte ist der gelungene Text von Jason Schreier, der mit dutzenden ehemaligen und derzeitigen Entwicklern von Rockstar gesprochen hat. 

Wen interessiert das alles nicht? Das reichweitenstärkste Spielemagazin Deutschlands: die GameStar. Kein Wort darüber.

Warum? Weil Red Dead Redemption 2 bislang nicht für PC erscheint und die GameStar ein Magazin für PC-Spiele ist? Ja, gutes Argument. Leider: falsches Argument.

Denn die GameStar berichtet sehr wohl über Red Dead Redemption 2. Heute, am 24.10.2018 sah die Startseite nämlich so aus:

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Den Plus-Artikel vom Mai 2018 hat die Redaktion pünktlich zum Release auf die Startseite gehievt. Die Grundlage ist ein Studiobesuch bei Rockstar North. Das kann man als PC-Magazin durchaus mal verwursten, heißt es jetzt vielleicht, ein Thema wie Open World ist als universell anzusehen, ja klar.

Allerdings sind folgende Texte über Red Dead Redemption etwas, nun: weniger wichtig als ein exklusiver Studiobesuch. Man könnte auch sagen: Manchmal sind sie kacklangweilig.

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Die GameStar analysiert sogar ein Bild. Ein einzelnes Bild. Die analysieren das. So richtig ernsthaft. Unironisch.

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Die GameStar hat Zeit für Bildchen, Gerüchte, Pferde, Videos, Ankündigungen für Videos, Internetadressen, Analysen von Bildchen, Analysen von Verkaufszahlen von unveröffentlichten Spielen, Mehrspieler-Modi und Verschiebungen.

Die GameStar hat allerdings keine Zeit für eine Debatte, die die Schattenseite der so blumig schönen Videospiele offen legt.

Da stellt sich die Frage: Warum?

Immerhin schafft es auch das kleine Schwestermagazin GamePro zumindest ein bisschen darüber zu schreiben.

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Es ist bemerkenswert, wie ein Thema derart ignoriert werden kann. Jenes Spiel, das vermutlich Verkaufsrekorde genau so sehr brechen wird wie die Prozentzahlen der Wertungsspirale, dient als Träger einer leider immer wieder vergessenen Debatte um die teilweise unmenschlichen Zustände in den Studios. Seit Tagen schon.

Doch die GameStar sieht das wohl alles ein bisschen anders. Schade.


Wobei man fairerweise sagen muss: So richtig präsent war das Thema bei GamePro auch nur so halb. Drei News, ok. In Anbetracht der schier unwirklichen Menge an Artikel zu Red Dead Redemption 2 allein in den vergangenen Wochen sind drei News nix. Also, gar nix.

Die Startseite von GamePro sieht heute, am 24.10.2018 so aus:

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Vorsichtig ausgedrückt: Scheißviel Red Dead Redemption 2. Aber unter den sechs hervorgehobenen Artikel ist keiner dabei, der sich mit der Crunch-Debatte befasst.

Die Berichterstattung sah zuletzt übrigens so aus:

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Da wird alles einmal mitgenommen, jede Kleinigkeit. Der Hype ist dabei wichtiger als eine zunächst unsexy wirkende Debatte um Arbeitszeiten in einem vermeintlich perfekten Job.

In diesem Zusammenhang steht und fällt die Bewertung dieser Details mit dem Wissen darum, wie GamePro und andere Magazine solche Spiele sehen; sie sehen nämlich das Geile auch da, wo ein gewöhnlicher „Journalist“ nix sehen würde.

Zum Beispiel bei einem Leak, der 24 Sekunden aus dem Spiel zeigt. 24 Sekunden, das ist nicht viel, und es sieht noch nicht einmal toll aus. Es sieht gewöhnlich aus, zuallerst, weil 24 Sekunden nicht viel Zeit ist. Die GamePro sieht das anders:

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Da bleibt nur ein abruptes Ende: uff.

UPDATE

Die GameStar hat jetzt doch über die Arbeitsbedingungen geschrieben. Zehn Tage, nachdem das erste Interview mit Dan Houser online ging. Immerhin.

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