Das ist schon ziemlich toll: Die GameStar-Redaktion hat eine Titelstory über Metro: Exodus veröffentlicht. Mehrere Artikel und ein Video gehören zur umfangreichen Berichterstattung, die unter anderem so aussieht:
Zunächst ist das nichts besonderes, weil auch etliche andere Magazine darüber schrieben.
PC Games:
Golem:
Eurogamer Deutschland:
Ingame:
Playnation:
GIGA Games:
Spieletipps:
Eine Berichterstattung in Form von Previews über ein Spiel, das ohnehin in nicht mal 30 Tagen erscheint, dürfte zumindest fragwürdig, aber nicht groß der Rede wert sein – eigentlich, und boy, das ist ein dickes eigentlich, ungefähr so: EIGENTLICH, denn in einer Preview schreibt die GameStar folgendes:
Zum Verständnis: Die Redaktion hat nicht einfach nur Metro gespielt, nicht irgendwo im siffigen London, wo schon die Berufsbezeichnung „Youtuber“ genügt, um in die Hauptstadt der Presse-Events eingeladen zu werden; die Redaktion zockte nicht Seite an Seite mit anderen Spielejournalisten an hochblinkenden Anspielstationen auf ausgeleierten Gamingstühlen der Marke „150-Dollar-im-Verkauf-aber-nur-5-Dollar-in-der-Produktion“ mit Entwicklern im Nacken, die dir flüsternd ins Ohr jauchzen, nein, keine Sorge, die Bugs kommen noch weg, versprochen, ja, das kannst du so in den Text schreiben.
Die GameStar-Redaktion, nicht irgendeine Redaktion, klar, sondern die GameStar-Redaktion war also nicht in London und hat zwei Stunden gespielt, umgotteswillen, nein, viel besser: Sie haben sechs Stunden gespielt. Sechs!
Und sie legen wert darauf, dass das klar wird. Also dieses eine, besondere Detail.
Wie lange hat die GameStar nun gespielt, weiß das wer?
Also, ich will ja nicht sagen, dass die GameStar-Redaktion gerne dick aufträgt, aber dieser Kasten ist zu 100 Prozent echt.
Dass die GameStar ihre Exklusivität groß und gerne bewirbt, ist nichts Neues. Im vergangenen Jahr gab die Redaktion an, „weltexklusiv“ und als „einzige Redaktion“ Anno 1800 gespielt zu haben, während zeitgleich ein Artikel in der Online-Ausgabe der Süddeutschen erschien – weil die Süddeutsche eben auch Anno 1800 gezockt hat.
Nun jedoch hebt sich die GameStar direkt über die Kollegen:
„Während andere Journalisten bei einem Event zwei Stunden lang Metro: Exodus spielen dürfen, verbringen wir ganze sechs Stunden in der russischen Endzeit“
Sechs Stunden also, das ist jetzt jedem klar, aber was genau heißt das? Das ist zunächst eine schlicht nervige Arroganz, die da mitschwingt, regelrecht hin und her baumelt wie im kindischsten Schwanzvergleich: Wir sind besser, weil wir vier Stunden mehr gespielt haben als die anderen – heißt das übersetzt. Zur Transparenz für die Leser ist die ständige Angabe der Spielzeit wahrscheinlich nicht gedacht, es geht um die Wahrnehmung von Exklusivität, von Größe, schließlich platziert die GameStar die Spielzeit in anderen Previews nur äußerst selten und willkürlich; geht es aber um den Vergleich mit anderen, prangt die Zahl 6 gefühlt häufiger im Text als der eigentliche Spielname.
Zumal direkt zwei Twists folgen:
Twist 1: GameStar ist doch nicht so exklusiv
Das Magazin Gamereactor hat nicht zwei, nicht drei, auch nicht vier oder fünf oder gar sechs Stunden gespielt, sondern, jetzt kommt’s:
Genau einmal erwähnt Gamereactor die Spielzeit, schließlich ist es wichtig für den Leser, damit dieser einordnen kann, was man von dem Text halten kann. Wie oft erwähnt es die GameStar? Kurz gezählt und auf neun gekommen (bisschen schade aber, dass nicht sechs die Antwort ist).
Es mag kleinlich sein, zu zählen. Ist es dann aber nicht mehr, wenn sich die Texte von der GameStar mit denen ähneln, die nur zwei Stunden gespielt haben.
Twist 2: Sie klingen eh alle gleich
In der GameStar-Vorschau steht folgendes:
„In der sandfarbene Einöde fühlen wir uns fast schon wie in Mad Max oder Rage.“ – Gamestar.de
Bei Spieletipps klingt das so:
„Das Kaspische Meer ist zu einer Wüste geworden, voller mutierter Kreaturen, hochexplosiver Erdgasvorkommen und einer Atmosphäre, die auf positive Weise an den Film Mad Max erinnert.“ – Spieletipps.de
Und bei Gamereactor heißt es:
„Mit einem schrottigen Van durch die Dünen zu düsen und dabei Mutanten zu überfahren, das hat mich sehr an das ursprüngliche Rage erinnert.“ – Gamereactor.de
PC Games schreibt:
„Während wir dabei die karge Landschaft bewundern, fühlen wir uns entfernt an die Badlands von Mad Max erinnert.“ – PCgames.de
Natürlich unterscheiden sich die Previews. Aber im Kern erzählen sie dasselbe: Die Grafik wird erwähnt, die neue Welt, das Crafting, das Ballern, der Horror, lediglich die persönlichen Eindrücke der Redakteure unterscheiden sich. Die einen finden die offene Welt doof, die anderen nicht, es bleibt aber beim Feature-Aufzählen, sprich: es bleibt bei Langeweile.
Zumal keine der Redaktionen weiß, wie es danach weiter geht. Ob sie nun zwei, sechs oder vierzehn Stunden spielten, ist völlig egal, da sie das spielten, was Marketingprofis genau für diese Zeit herausgesucht und poliert haben. Journalisten als Teil einer gewieften Werbekampagne, das wäre durchaus besorgniserregend, wenn es nicht schon Alltag wäre, der von Jubel und Wohlwollen bestimmt ist; kritische Previews sind selten, und wer weiß das am besten? PR- und Marketing-Manager, oder in dieser Branche auch genannt: Menschen mit einem wahnsinnig einfachen Job.
Was aber ist von Spielejournalismus zu halten, wenn nach dem Anspiel-Exzess der Weiterspiel-Abfuck folgt? Nicht häufig, aber auch nicht selten passiert genau das, und der Leser ist der Dumme, der glaubte, er könne dieser Art der Berichterstattung vertrauen. Selbst bei monumentalen Flops wie Alien: Colonial Marines schrieben etliche Magazine im Vorfeld noch das dusseligste Lob, es werde ja bestimmt ein Fest für Fans der Filme, hieß es zum Beispiel bei der GameStar, nur um im Testbericht kleinlaut berichten zu müssen: Das Spiel ist eine Blamage.
Wozu also die Prahlerei, das Herabsetzen der nur zwei Stunden spielenden Kollegen? Für Previews, die fast das gleiche sagen wie andere Previews. Herzlichen Glückwunsch.