Medienkritik

Fuck-Ups der Woche #2: Falschmeldung über Star Wars, Headline-Wahnsinn, Cyberpunk-Werbung

Fast täglich kommt neuer Quatsch hinzu, oft nur Kleinigkeiten, die dennoch einen Stinkefinger wert sind. Deswegen sammle ich künftig kleine und mittelgroße Ärgernisse aus dem Spielejournalismus und veröffentliche sie in diesem Format. Mal unkommentiert, mal mit der Faust voran, eben frei nach Schnauze, angepasst an das gezeigte Niveau. Also: Eine Aufzählung von Enttäuschungen, von Doofheiten, von Fuck-Ups, so erwartbar wie unnötig, über die ich mich, nun ja: abfucke.

Headline-Wahnsinn bei GamePro

Die Entwickler von Life is Strange 2 haben die Veröffentlichungsdaten der kommenden Episoden verraten. Nichts besonderes, könnte man meinen, und dementsprechend unaufgeregt sehen die Überschriften aus:

GameStar:

gamestar

4Players:

4players

Playnation:

playnation

Play3:

play3

So tiefenentspannt Headlines lesen ist fast selten geworden, alle Infos enthalten, die wichtig sind, toll. Ja nee, denkt sich die GamePro, die folgendermaßen titelt:

gamepro

Im Kontext einer Liebe für guten Journalismus kommt jetzt die Warnung: ihr müsst ganz stark sein, denn GamePro liebkost die Buzzfeed-Stilistik auch anderswo:

gamepro2

Immerhin beschweren sich einige GamePro-Leser lautstark in den Kommentaren über den durch und durch ekligen Clickbait-Stil, der dort tatsächlich erst seit kurzem so ausgeprägt verwendet wird.


Cyberpunk-Werbung bei GameStar

Die Entwickler von Cyberpunk 2077, CD Projekt, sagen im GameStar-Podcast sinngemäß: „Die Quests werden komplexer als in The Witcher 3.“ So geil findet die GameStar-Redaktion das, sie bastelt direkt eine News:

komplexer-gs.JPG

Das ist Werbung. Werbung für den Podcast, der natürlich vermarktet werden muss. Werbung für Cyberpunk 2077, das noch besser, noch toller, noch komplexer wird. Werbung für die Entwickler, die damit weiter hofiert werden hin zu einem Image, das die Frage nach dem perfekten Studio gleich mit beantwortet.

Zumal die Formulierung von „werden“ spricht, die Quests werden komplexer, das steht laut GameStar bereits fest, und das steht deshalb fest, weil, äh: die Entwickler das sagen.

Die eigentliche Aufgabe der GameStar besteht im Hinterfragen solcher Aussagen. PR-Versprechen muss die Redaktion entlarven – und nicht verbreiten. Die Zahlenangabe „drei bis fünf mal so komplex“ stammt so absurd offensichtlich von einer Marketingabteilung, dass darin keine Information gefunden werden kann.

Offenbar ist das Verständnis von gutem Journalismus in ausgewählten Branchen noch immer ein diffuses.


Star-Wars-Schwindel bei ganz schön vielen

Die Spielepresse ist gierig nach großen Schlagzeilen, wie GamePro unlängst bewies. Das Schwestermagazin GameStar stimmt zu, schließlich hat die Redaktion zuletzt eine Geschichte gefunden oder soll ich sagen: erfunden, die es in sich hat. So titelte das Magazin:

lucasarts

Dazu das Facebook-Posting:

facebpost

106 mal geteilt, über 380 Kommentare, fast 2.500 Likes – das alles für eine Falschmeldung, die die GameStar offensichtlich nicht erkannt hat (oder nicht erkennen wollte).

Grundlage der Story sind einige Stellenausschreibungen von Disney für „Lucasfilm Games“. Keine davon ist für eine Entwickler-Position bestimmt, sondern für Publisher-Tätigkeiten. Der Grund: „Lucasfilm Games“ existiert seit Jahren und ist als eine Art Publisher für die Star-Wars-Lizenz tätig, arbeitet also mit Firmen wie Electronic Arts zusammen, die Spiele für die Marke entwickeln. „Lucasfilm Games“ ist also nicht „zurück“, wie es die GameStar schreibt, weil „Lucasfilm Games“ nie weg war.

Das weiß die Redaktion sogar, da sie es im Text erwähnt:

„Künftig sollte es [Lucasfilm Games] nur noch die Lizenz verwalten und neue Spiele bei Partnern wie EA entstehen.“

Die Redaktion ist also nicht in der Lage, die Jobbeschreibungen von Publisher und Entwickler zu unterscheiden. Warum soll „Lucasfilm Games“ plötzlich Spiele entwickeln, wenn doch keine Entwickler gesucht werden? Zudem lügen die Redakteure, wenn sie in der Überschrift schreiben, „Lucasfilm Games“ ist zurück; selbst wenn sie die Geschichte missverstanden haben, ist das doch die einzige Tatsache, die in der News richtig ist.

Da die GameStar nicht die Originalquelle verlinkt, ist nicht nachzuvollziehen, woher die Infos stammen. Als erstes darüber berichtet hat wohl USGamer, auf die andere Medien verlinken. Dort steht:

„It sounds like Lucasfilm Games will operation like Marvel Games; not developing any games, but working to ensure game properties are handled properly by outside studios.“

Zwei Dinge werden hier offenbar: Hat die Redaktion die Originalquelle tatsächlich gelesen, hat sie ein wesentliches, der eigenen News zuwider laufendes Detail unterschlagen, damit man „neue Star-Wars-Spiele“ titeln kann; hat die Redaktion die Originalquelle nicht gelesen, war sie nicht imstande, andere Quellen oder zumindest die Originalquelle zu überprüfen.

Wem hat das genützt? Der Reichweite, denn das Posting hat bei Facebook ein vielfaches an Interaktion bekommen als andere News, die teilweise nur auf 55 Likes kommen. Aus der falschen Nachricht hat man das Bestmögliche herausgeholt.

(Aus der eigentlichen Nachricht hätte man etwas ähnliches basteln können, ohne zu schwindeln: Wenn die spärliche Besetzung von „Lucasfilm Games“ als Publisher beziehungsweise Lizenzgeber aufgestockt wird, könnte das eventuell, ganz vielleicht bedeuten, dass weitere Star-Wars-Spiele unterwegs sind, wobei das natürlich reine Spekulation wäre und auf einer dünnen Argumentation beruhen würde.)

Kleinlaut hat die Redaktion die News dann korrigiert (ebenso auch andere deutschsprachige Medien):

sorry

Freilich hat die GameStar dieses Statement nicht auf Facebook veröffentlicht.

Wer will sich schon freiwillig das eigene journalistische Versagen eingestehen?

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