Medienkritik

Facebook-Werbung von Gameswelt: Daumen runter

„Dein transparentes Videospiel-Magazin“, so beschreibt sich die Gameswelt-Redaktion – nicht. Aus gutem Grund?

Gameswelt war noch nie bekannt dafür, dezent mit Werbeanzeigen umzugehen. Das „unabhängige Videospiel-Magazin“, wie sich die Redaktion tatsächlich umschreibt, mag es gerne groß, bunt, opulent. Das zeigt ein aktuelles Beispiel:

ghostreconwerbung

Dort oben, wo einst „Gameswelt“ stand, prangt jetzt: „GHOST RECON“. Darunter: „GHOST RECON“. Daneben: „GHOST RECON“. Dazwischen dann der redaktionelle Inhalt, den ich eigentlich lesen wollte.

Klickt man auf das Fazit der Vorschau, bekommt man eventuell folgendes zu sehen:

ghostreconwerbung2

Oben: „GHOST RECON“. Darunter, eher mittig: „GHOST RECON“. Daneben: „GHOST RECON“. Danach folgt unten, diesmal wirklich unten der redaktionelle Inhalt, der jedoch bereits so klingt wie das Fazit aus einem Testbericht.

Klar ist: Online-Medien müssen sich finanzieren, und das funktioniert unter anderem mit derlei Anzeigen. Dass das nicht automatisch zu Erfolg führt, ist klar. Adblocker nerven Seitenbetreiberinnen und Seitenbetreiber genau so wie Werbemenschen ganz gehörig. Ein Magazin allerdings, dass den Namen wechselt, um auf einen Shooter hinzuweisen, ist selten. Und verdient einen aufmerksamen Blick.

Fast zeitgleich zur Berichterstattung in Form einer Preview und der großen Werbekampagne auf dem Online-Auftritt, veröffentlichte die Redaktion auf ihrer Facebook-Seite (über 700.000 Likes) folgenden Beitrag:

ghostreconwerbung3

Dieser mit 31 Sekunden relativ kurze Trailer endet mit der Aufforderung: „JETZT VORBESTELLEN“, der dazugehörige Text weicht von dem eigentlichen Stil sonstiger Postings ab.

Das Video ist lediglich ein Ausschnitt eines deutlich längeren Cinematic-Trailer, den Ubisoft im Rahmen der Spielemesse E3 veröffentlichte. Weder wird auf den ganzen Trailer hingewiesen, noch verlinkt Gameswelt auf ein redaktionelles Angebot, das weitere Inhalte bereithält.

Das Wording, die Kürze des Videos und die Aufforderung im Trailer, das Spiel vorzubestellen, deutet daraufhin, dass es sich um, nun: nicht gekennzeichnete Werbung handelt.

Normalerweise sehen redaktionelle Postings anders aus, entweder folgt eine Verlinkung zu einem Text/einer News oder ein Moderator führt durch die Infos im Rahmen einer News-Sendung. Beispiele:

normalerweise1

normalerweise2

normalerweise3

Wer sich ein bisschen durch die Facebook-Beiträge wühlt, findet mehrere Beiträge, die eben nicht so, sondern zumindest fragwürdig aussehen. Kurze Erklärung: Viele Magazine haben mittlerweile eine enorme Reichweite über Facebook aufgebaut, sodass Kooperationen und Werbeanzeigen auch über soziale Medien stattfinden.

  • Gameswelt: Über 765.000 Likes
  • GameStar: Über 347.000 Likes
  • GamePro: Über 432.000 Likes
  • Spieletipps: Über 1,1 Millionen Likes
  • PC Games: Über 234.000 Likes

Eine beliebte Form der Kooperation: Zur Veröffentlichung eines Spiels (oder wenige Tage/Wochen vorher) postet ein Magazin einen Trailer mit dem Hinweis, dass es jetzt/bald erhältlich ist. Das kann unter anderem so aussehen:

gamestar-darksiders

gamestar-bf1

gamepro-resident

gamepro-callof

gamepro-acecombat

gamestar-monsterhunter

gamepro-metro.jpg

GamePro und GameStar heben deutlich hervor, dass es sich um Anzeigen handelt. Es ist nicht zu übersehen. Der Stil ist einheitlich: Kein Link zu redaktionellen Inhalten, höchstens zu Amazon, oft zwei, manchmal auch drei Zeilen Text.

Gameswelt macht das ähnlich. Nur fehlt da etwas. Ein kleines Detail.

call-of-cthulu

acecombat

a-plague-tale

shadows.jpg

conan-exiles

days-gone

dirt

f1-2018

metroexodus

monster-hunter-world

odyssey
(Link führt zur Seite des Herstellers.)

outward

grid

steel-rats
(Link führt zur Seite des Herstellers.)

wow

gravel

zelda

crashbandi
(Link führt zur Seite des Herstellers.)

msideutschland
(Link führt zur Seite des Herstellers.)

rage2
(Link führt zur Seite des Herstellers.)

fallout
(Link führt zur Seite des Herstellers.)

fallout2.jpg
(Link führt zur Seite des Herstellers.)

Auch vom Thema Videospiel entferntere Postings gehören dazu:

anki2
(Link führt zur Seite des Herstellers.)

anki
(Link führt zur Seite des Herstellers.)

longroadhome

omenhp.jpg
(Link führt zur Seite des Herstellers.)

Stil und Aufbau sind bei Gameswelt und GamePro/GameStar fast identisch. Nur eines scheint zu fehlen: die Anzeigen-Kennzeichnung.

Auch hier gehen die Redaktionen systematisch vor: keine Verlinkungen von redaktionellen Inhalten wie Previews oder Tests, sondern das bloße Ausschmücken des jeweiligen Spiels.

Natürlich hat es einen Grund, warum GamePro und GameStar derartige Postings als „Werbung“ markieren: Testberichte oder Kolumnen spielen keine Rolle, eben weil der Publisher dafür zahlt, dass Redaktionen pompös und unkritisch auf die jeweiligen Spiele hinweisen. Eine solche Werbeform kann man finden, wie man will – es ist für den Leser aber zu 100 Prozent ersichtlich, dass es sich um Werbung handelt.

Nun könnte man argumentieren: Gameswelt hat die entsprechenden Beiträge nicht als Werbung gekennzeichnet, weil das keine Werbung ist, sondern die legitime Meinung der Redaktion. Die feiern die Spiele. Mehr nicht.

Das trifft jedoch nicht zu. Zu Ace Combat: Skies Unknown heißt es im Testbericht:

„Zäh, zäher, Ace Combat 7“

Über Outward heißt es im Test:

„Allerdings wirken etliche Aspekte nicht ganz ausgereift, aufgesetzt oder ’seelenlos‘.“

Zu Steel Rats schreibt Gameswelt folgendes:

„Motorradaction mit unnötig stotterndem Motor“

Ein Testbericht zu Gravel fehlt bislang, obwohl Gameswelt am Erscheinungstag, den 27. Februar 2018, ein Facebook-Posting dazu veröffentlicht hat. In einer Preview zum Spiel heißt es allerdings:

„Aktuell gibt es nicht viel Positives über Gravel zu berichten.“

Es fällt auf, dass drei Magazine im ähnlichen Stil Postings über die gleichen Spiele veröffentlichen, während nur zwei davon diese als Werbung kennzeichnen. Ist das ein Beleg dafür, dass Gameswelt den Leserinnen und Lesern unterschlägt, wann es sich um Werbung handelt und wann nicht? Nein, doch diese Auffälligkeiten sollten aufgezeigt werden.

Zumal es Beispiele gibt, die die Problematik deutlicher hervorheben. Am 3. Juni etwa veröffentlichte GamePro eine bezahlte Zusammenarbeit mit Red Bull, die als solche deutlich erkennbar war:

redbull-ninja-gamepro

Am 7. Juni schrieb auch Gameswelt über Red Bull und den „Streaming-Star“ Ninja:

redbull-ninja.jpg

Was unterscheidet beide Postings voneinander? Bei Gameswelt steht nichts von einer Kooperation, obwohl es sich um das selbe Video und den selben Link handelt.

Bereits im Dezember 2016 veröffentlichte Gameswelt folgenden Beitrag auf Facebook:

acer

Der Link führt zu einer Unterseite von Gameswelt, die einen redaktionellen Anschein erweckt, aber eigentlich einer Werbekampagne angehört, wie man an der URL erkennt:

acer2

Jegliche Hinweise auf eine Zusammenarbeit fehlten im Posting.

Auf Facebook nutzt die Gameswelt-Redaktion zur Bewertung von Spielen verschiedene Formate: „Hype Check“, „Test“, „One Minute Preview“, die Youtube-Sendung „GS TV“. Darin werden auch immer wieder Neuigkeiten verarbeitet, unter anderem Trailer. Fast alle oben aufgezeigten Beispiele kommen ohne diese Formate aus und werden daher redaktionell nicht eingeordnet.

Es mag eine interne Entscheidung sein, die Leserinnen und Leser auf Facebook zu bespaßen; das willkürliche und unregelmäßige Veröffentlichen von Trailern direkt am Erscheinungstag mit der freundlichen Aufforderungen, mit dem Posting in Form von Kommentaren oder Markierungen zu interagieren. Nur: Ähnliche Beiträge anderer Magazine sind entsprechend gekennzeichnet und gleichzeitig fast identisch getextet und bebildert. Kann das alles nur Zufall sein, bloßer, reiner, unschuldiger Zufall? Klar.

Das kann dann so aussehen: Spieletipps und Gameswelt veröffentlichen am gleichen Tag einen Facebook-Beitrag über die Möglichkeit, kostenlos Fallout 76 zu spielen. Beide Magazine verlinken auf die Seite des Spiels, doch nur eines markiert es als Werbung.

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Noch zweifelhafter wird es allerdings, wenn Gameswelt, ein journalistisch-redaktionell wirkendes Magazin, in Postings direkt auf die Hersteller-Website verlinkt. Allein bei den oben aufgezeigten Beiträgen ist das acht mal der Fall. Ein Hinweis auf eine Zusammenarbeit fehlt. Wie also kann ein Magazin sich selbst als „unabhängig“ bezeichnen, aber fortwährend und ohne weiteren Hinweis auf die für Marketing gedachten Websites der Publisher verweisen?

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Es ist unwahrscheinlich, dass mit jedem hier aufgeführten Beispiel eine nicht gekennzeichnete Kooperation einhergeht, da Gameswelt an anderer Stelle durchaus Partnerschaften mit Bethesda und Co verlinkt, auch bei Facebook, und die Trailer-Verlinkungen finden dort in unterschiedlicher Frequenz schon seit Jahren statt. Doch sind gewisse Parallelen zu Anzeigen von Konkurrenz-Magazinen nicht von der Hand zu weisen.

Apropos Konkurrenz: Frei von Fehlern ist auch dort niemand. Im August 2018 veröffentlichte die GamePro eine bezahlte Partnerschaft mit dem Spiel Sinking City, die entsprechend markiert war. Im November 2018 schrieb die Redaktion erneut über Sinking City im exakt gleichen Wortlaut – nur ohne die Anzeigen-Kennzeichnung.

vergleich2.jpg

Fast scheint es so, als hätte die Spielepresse ein Problem mit Werbung. Ähnliche Beispiele habe ich ebenfalls bei anderen Magazinen gefunden, wenn auch nicht in der schieren Masse wie bei Gameswelt. Kennzeichnungen von Kooperation könnten wichtiger kaum sein: für die Leserinnen und Leser, die selbst bei „unkritischen“ Redaktionen dennoch das Bild eines unabhängigen Magazins vor Augen haben; und für die Konkurrenz, die eventuell einer Seite gegenübersteht, die durch die fehlende Sichtbarmachung von Werbung den Anschein eines natürlichen, von redaktionellen Meinungen gestützten Beitrags erweckt.

Unabhängig davon, ob es eine Zusammenarbeit zwischen Redaktion und Publisher gab oder nicht, sollte die Gameswelt-Redaktion eventuell eines überdenken: Man kann nicht als „unabhängiges Magazin“ agieren und gleichzeitig auf die von PR verseuchte Website des Herstellers verweisen. Das war, kann und wird niemals transparent sein.

Aber ach, bevor dieser Rat tatsächlich ernst genommen wird, erscheint Half-Life 3 als Heftbeilage der Computer-BILD-Spiele.

Nachtrag, 22.06.2019

Gestern veröffentlichten Gameswelt und Playnation jeweils ein Posting zu Borderlands 3. Es ist ein Video zu sehen, das bei beiden gleich ist und mit der Aufforderung endet, jetzt doch bitte vorzubestellen.

Allerdings kennzeichnet nur ein Magazin den Beitrag als „bezahlte Partnerschaft“.

vergleichborderlands.jpg

Nachtrag 2, 08.07.2019

Mittlerweile veröffentlichte Gameswelt weitere Postings auf Facebook, die in einem ähnlichen Stil gehalten sind wie die oben aufgezeigten Beispiele. Doch wer hätte es gedacht: Sie alle sind entsprechend als Werbung gekennzeichnet.

werbung-markiert1

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Ob das eine Reaktion auf diesen Artikel ist, kann ich nicht sagen. Es fällt allerdings auf, mit welcher Regelmäßigkeit plötzlich bezahlte Partnerschaften als solche hervorgehoben werden.

 


Weiterführende Links:

Albion Online und PC Games: Das kleine Wörtchen „Anzeige“: Die GameStar-Redaktion veröffentlicht einen Text zu einem Spiel. PC Games macht das ebenfalls. Doch nur ein Magazin kennzeichnet es als Kooperation.

 

(Hinweis: Die Hervorhebungen der Spielenamen in einigen Postings stammt von der Facebook-Suche, die ich im Laufe meiner „Recherchen“ häufig benutzt habe.)
(Hinweis²: Das Headerbild stammt aus einem Trailer zu Ghost Recon. Gameswelt gefällt das.)

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