Medienkritik

The Witcher 4 ist in Entwicklung, oh, warte, doch nicht, es war nur Clickbait

Jene Redaktion, die hysterisch über – ja, echte, aber nie gekackte Kacke berichtete, veröffentlichte vor einigen Monaten eine Kolumne über ein ganz besonderes Thema: Clickbait.

„Mit dem Wort Clickbait wird heutzutage inflationär um sich geworfen.“

So ist das also, aha. Was wollen uns die kleinen Strolche von Playcentral damit sagen?

„Es ist sozusagen der schwarze Peter unter den journalistischen Stilmitteln, wird schnell und empört überall und jedem vorgehalten.“

Mit einem Ausflug ins Lexikon will die Kolumne das Phänomen erklären.

„Darin [in dem Lexikon] steht, dass ein ‚Clickbait‘ Inhalte (im Internet) beschreibt, deren hauptsächliche Zielsetzung darin besteht, die Aufmerksamkeit eines Besuchers zu erheischen und ihn dazu zu bringen, auf einen Link zu klicken.“

Aha! Das bedeutet also, genau genommen, jetzt nur mal unter uns: eigentlich ist das alles harmlos.

„Diese breite Definition trifft auf so ziemlich jedes Element zu, das auf einer Webseite zu finden ist – von einem illustrierenden Foto über eine zusammenfassende Unterüberschrift zu einem farbig abgesetzten Link. Schließlich haben alle diese Mittel das Ziel, zu einem Mausklick zu verleiten.“

Wer kennt sie nicht, diese verfluchten Links in Blau und Rot, diese elendigen Köder und oft auch Köter, wie die da so bunt und laut nach Aufmerksamkeit brüllen.

Natürlich lässt Playcentral das so nicht stehen. Das wäre nämlich unklug, weil es nicht der Wahrheit entspricht. Deswegen heißt es weiter:

„Nun existiert eine kleine Diskrepanz zu dem, wie das Wort ‚Clickbait‘ in gehässigen Kommentaren gerne mal verwendet wird. Hier schwingt nämlich meist der Vorwurf mit, dass zum Beispiel ein Titel nicht adäquat den Inhalt des eigentlichen Artikels oder Videos widerspiegelt.“

Man ahnt, dass der Redakteur diese „gehässigen Kommentare“ selbst, nun ja, ertragen musste. Vielleicht damals, als Playcentral ohne Überprüfung über Kot berichtete und die hünenhafte Übertreibung sich als zwergenhafter Mist entpuppte. Wie gehässig diese Leserinnen und Leser immer sind, wenn sie auf die Wahrheit hinweisen, menno!

In der weiteren Playcentral-Definition von Clickbait geht es letztlich auch um, ha!, erwischt, nicht um Kot, sondern um Penisse, ja die guten, alten Lümmel.

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Das war die erste Seite der Kolumne, und man ahnt, dass der Playcentral-Redakteur der Definition etwas Eigenes hinzufügen möchte. Zum Beispiel eine beleidigte Leberwurst.

urban2

Das Problem ist also nicht die Headline. Es sind diese verdammten Leserinnen und Leser, die das eigene Verhalten nicht hinterfragen. Denn eigentlich ist Clickbait gar nicht Clickbait, sondern: Brot und Spiele für die Masse. Sie wollen es doch so.

„Viele der Überschriften spiegeln allerdings recht gut den tatsächlichen Inhalt wieder, vielleicht etwas verschärft oder destilliert, aber nicht irreführend. Gerne wird hier ‚Clickbait‘ als Synonym für ‚Sensationsjournalismus‘ verwendet. Der mag zwar reißerisch sein, gibt seiner Klientel aber durchaus das, was sie will und ist nicht per se irreführend.“

Der wichtigste Punkt der Kolumne ist jedoch folgender:

„Noch bin ich nicht fertig!“

Schade. Besonders, wenn man folgendes lesen muss:

Das Wort ‚Clickbait‘ wird nämlich gerne als Totschlag-Argument verwendet. Von Lesern, denen der Inhalt eines Artikels nicht gefällt oder solchen, die keine Lust haben, sich mit besagtem Inhalt genauer auseinanderzusetzen. Es wird sozusagen die ‚Clickbait‘-Keule geschwungen, die eine Überschrift und mit ihr den Artikel kompromisslos abkanzelt.

Die folgende Anekdote des Redakteurs, in der ihm ein Leser auf Twitter wegen vermeintlichem Clickbait entfolgte, lässt erahnen: ein ganz schön emotionales Thema, diese Klickköder. Man möchte fast auf ein höheres Wesen hoffen, dass uns all die Kolumnen erspart, die für jeden verlorenen Twitter-Follower geschrieben werden.

Weil ein Thema gerne als „Bait“ verwendet werde, sei dies noch lange kein Clickbait, heißt es weiter.

„Es ist noch nicht einmal Clickbait, wenn durch eine Überschrift eine gewisse Spannung oder Neugierde erzeugt wird – das ist ein Stilmittel, welches seit jeher in der Unterhaltungsindustrie zu finden ist. Alles kein Clickbait!“

Abschließend hat der Playcentral-Redakteur noch einen Rat für die Community:

„Wer also das nächste Mal mit Großbuchstaben CLIKCBAIT!!!!11!! in die Kommentare hämmert, der möge kurz innehalten und überprüfen, ob man tatsächlich bösartig in die Irre geführt wurde.“

Ok, Moment. Hier:

witcher4.jpg

CLICKBAIT!!!!11!!!

Dieser Köder ist besonders fies, spielt er doch mit den Erwartungen jener, die derzeit durch die Witcher-Serie von Netflix empfänglich für vermeintlich gute Nachrichten sind. Doof nur, dass es kein The Witcher 4 geben wird. Das haben die Entwicklerinnen und Entwickler ziemlich deutlich gemacht. Und ups, das weiß auch Playcentral, denn in der News steht folgendes:

„Dennoch sollte man nicht mit einer Fortführung von Geralts Geschichte und demnach einem The Witcher 4 rechnen, sondern viel mehr mit einem gänzlich neuen Figurenfokus, denn dass die Geschichte um den rivischen Hexer abgeschlossen ist, wurde mehrfach von dem polnischen Entwickler betont und beschlossen.“

Hui, was für eine fiese Wendung. Im Facebook-Teaser wird bewusst auf den vierten Teil hingewiesen, der Kommentar „es wird wahr“ soll zeigen, dass er in Entwicklung sei und der Deal dies nun ermögliche – und im Text wird anschließend geschrieben, dass The Witcher 4 laut CD Projekt nicht geplant sei. Logisch, es ist schließlich eine Trilogie, wie auch die Studio-Bosse betonten.

Was schrieb der Playcentral-Kolumnist noch gleich?

„Das Verbiegen von Wahrheiten, das bewusste Irreführen oder Auslassen einer Information wird zu Recht als verwerflich angesehen. Es ist mehr als nur das Aufbauschen einer vielleicht ansonsten uninteressanten News – es geht darum, bewusst eine Erwartungshaltung hervorzurufen, die anschließend enttäuscht wird.“

Genau das geschah hier: die Erwartungshaltung betraf die Entwicklung von The Witcher 4, bewusst aufgebaut mit dem Ziel, Fans der Reihe zum Klick zu bewegen. Die Enttäuschung folgte sogleich: The Witcher 4 wird vermutlich nie erscheinen.

Absurd daran ist, wie simpel man diesen unnötigen Köder hätte auslassen können. Schließlich bedeutet der Deal mit dem Buchautor ja, dass vermutlich neue Spiele im Witcher-Universum erscheinen werden, nur eben nicht mit einem Fokus auf Geralt.

Doch Playcentral entschied sich für Irreführung. Nicht das erste Mal, übrigens. In der brodelnden Gerüchteküche um GTA 6 schrieb die Redaktion über eine Aussage eines ehemaligen Chefs von Rockstar Games, die er so allerdings nie tätigte. Zudem hat Playcentral folgendes Detail ausgelassen: Leslie Benzies, der diese vermeintliche Details zu GTA 6 ausplauderte, hat das Studio vor Jahren verlassen und daraufhin das Studio verklagt. Diese Details hätten die geile GTA-Geschichte natürlich gehörig versaut. Hier dazu mehr.

Über den Kothaufen auf der Gamescom schrieb Playcentral vergangenes Jahr so:

„Ein Unbekannter weigerte sich, in einer Warteschlange seinen Platz aufzugeben und zur Toilette zu gehen, um seine Notdurft zu verrichten. Er entschloss sich deshalb dazu, in eine Tüte zu koten und diese dann liegen zu lassen. Grund dafür ist womöglich ein seltener Ingame-Spray, den es am Stand zu gewinnen gibt…und auf Ebay aktuell für 150€ weiterverkauft wird.“

Das war natürlich kompletter Quatsch, von vorn bis hinten. Da war keine Kacke, kein Kot, keine Scheiße, höchstens eine Scheißnews. Es handelte sich vielmehr um eine Stinkbombe. Und das ist offensichtlich nicht ganz so spannend, schließlich muss man fast erstaunt sein, wie bildlich Playcentral den Stuhlgang umschrieb. Hauptsache, die Scheiße ging viral. Hier dazu mehr.


Es ist immer ein besonderes Vergnügen, wenn eine Redaktion die Community über ein Thema belehren will. Ausgerechnet eines, zumindest in diesem Fall, über das Playcentral gar nichts Schlaues zu berichten weiß. Schuld am Clickbait tragen nicht die Leserinnen und Leser, sondern einzig und allein die schreibende Redaktion. Oder wie Playcentral selbst schreibt:

„Ein Clickbait wird meist des Geldes wegen verwendet.“

Keine weiteren Fragen.

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