GTA 6 erscheint vielleicht bald, vielleicht auch nicht. Die Gerüchteküche um das vielleicht, vielleicht auch nicht existierende Spiel von Rockstar Games nimmt absurde Züge an. In einem Plus-Artikel dröselt die GameStar-Redaktion das Thema am Beispiel YouTube auf.
In dem Text werden Beispiele aufgezeigt, wie die Mechanismen rund um Leaks von YouTubern benutzt werden. So wird der Kanal „IDZock“ genannt. Dessen Betreiber hat ein Video mit dem Titel „GTA 6 RELEASEDATUM“ hochgeladen. Der Inhalt des Videos sei „kompletter Unsinn“, wie GameStar schreibt, denn die Quellen, die der YouTuber benutzte, waren falsch.
Später erwähnt der Text das Thema Gerüchte und bezieht es auf die GameStar.
„Bei so populären Spielen wie Grand Theft Auto dauert es nicht lange, bis die Gerüchte gleich an vielen Stellen Thema sind. Auch – so fair muss man sein – in Gaming-Medien wie der GameStar. Nur werden sie von Journalistinnen und Journalisten oft etwas kritischer und skeptischer eingeordnet.“
Es folgt ein Beispiel, bei dem die GameStar-Redaktion einige Leaks zu GTA 6 „eingeordnet“ hat. Das bedeutet: Sie schlussfolgerten, dass keiner der beiden Leaker eine nachvollziehbare Quelle habe und man die Gerüchte mit Vorsicht betrachten sollte.
Doch längst nicht immer ist die GameStar in der Lage, einen Leak so konsequent einzuordnen.
Im vergangenen Jahr berichtete GameStar über einen vermeintlichen Leak zu Need for Speed. Angebliche Details wie das Logo und das Spiele-Cover sollten Teil des Leaks gewesen sein. Doof nur: Es handelte sich um einen Fake. Das Logo stammte von einem YouTuber, das Spiele-Cover enthielt eine Grafik, die Electronic Arts bereits für ein altes Need for Speed verwendete.
Doppelt doof: All das war bereits etliche Stunden vor der Veröffentlichung der GameStar-News bekannt. Die Redaktion, die behauptet, Journalistinnen und Journalisten ordnen Gerüchte und Leaks „kritischer und skeptischer“ ein, hat es also nicht nur nicht geschafft, die vermeintlichen Infos zu überprüfen, sie übersahen zudem die Meldungen, dass es sich um gefälschtes Material handelte.
Übrigens: Ein YouTuber war es, der in seinem Video erläutert, warum der Leak ein Fake war.
In dem Plus-Artikel der GameStar über Leaks auf YouTube wird das Thema Clickbait und Thumbnails erwähnt.
„Entscheidend dafür [für Klicks] sind bei YouTubern neben absurden Vorschaubildern, den Thumbnails, die teils irreführenden Videotitel, wie »Ich reagiere auf GTA 6 Trailer«.“
Wie solch „absurden Vorschaubilder“ aussehen können, hat GameStar unlängst zumindest im Ansatz gezeigt.
Der Text „400 Millionen Strafe für Riot Games“ suggeriert, das Studio müsse 400 Millionen Dollar Strafe zahlen. Doch das ist falsch. Eine US-amerikanische Behörde hat lediglich eine Forderung abgegeben, die bisherige Strafe von 10 Millionen Dollar abzulehnen, weil den Opfern bis zu 400 Millionen Dollar zustehe, heißt es im Video. Zwar wird im Video-Titel genau das nahegelegt, doch das Irreführen des Thumbnails ist da längst geschehen.
Ein weiteres Video der GameStar zeigt ein „absurdes“ Vorschaubild.
Ein Video, das „die schönsten Spiele“ titelt, ausgerechnet über Spiele, die noch gar nicht erhältlich sind – spielejournalistischer Alltag eben. Der Redaktion ist die leichte Absurdität (halbwegs) bewusst, deswegen heißt es im Video am Anfang:
„Ich habe übrigens nur Spiele in die Liste aufgenommen, von denen wir schon mindestens einen Trailer in der Engine des Spiels gesehen haben.“
Nun sollten vom Publisher geschönte Trailer noch kein Kriterium für die Bewertung eines Spiels sein, doch immerhin will die Redaktion nur jene ins Video aufnehmen, von denen man die Qualität der Grafik, naja: erahnen kann.
Doof nur, dass es zu dem Spiel Hellblade 2 plötzlich heißt:
„Ob das nun aber wirklich Echtzeit-Szenen aus Hellblade 2 sind, können wir noch nicht bestätigen.“
Also gut: Ein Video, in dem die schönsten unveröffentlichten Spiele 2020 gezeigt werden sollen, festgestellt anhand von Trailern, die die jeweiligen Studios in der Grafik-Engine des Spiels erstellt haben, enthält ein Spiel, das in einem Trailer gezeigt wird, von dem die Redaktion nicht weiß, ob man ihn in der Grafik-Engine erstellt hat.
Zurück zum YouTube-Artikel: Ein Experte wird zitiert. So heißt es:
„Und dann kommen sie in Versuchung, so zu tun, als hätten sie exklusive Informationen und fallen ins Clickbait-Loch.“
Eine Situation, die auch die GameStar-Redaktion (in abgeschwächter Form) kennt – abseits von YouTube.
Als die Schauspieler Aaron Paul und Bryan Cranston mysteriöse Bilder in sozialen Netzwerken teilten, spekulierten viele Magazine über den Grund. Mit dabei war GameStar und folgender Überschrift:
Keines der Bilder hatte einen direkten Bezug zu Breaking Bad. Und doch schrieb GameStar in der Headline, es gebe bald neue Infos zum Film. Stellt sich heraus: Cranston und Paul stellen Alkohol her, die Bilder dienten als Teaser.
Dass GameStar in der Überschrift einen Bezug zum Film herstellt, ist eine bewusste Irreführung. Oder: eine Lüge. Weder die Serie noch der Film war Teil irgendeines Postings. Eine journalistisch arbeitende Redaktion hätte in alle Richtungen abwägen müssen. Cast-Reunion, Spendenaufruf, Biberfell-Harnische – alles war möglich.
Ein weiteres Beispiel ist folgende News:
Der Grund für diese Aussage: Lucasfilm Games suchte neue Mitarbeiter*innen. GameStar übersah ein Detail: Lucasfilm Games war nie weg und kann somit nicht zurück gewesen sein. Und Lucasfilm Games entwickelt keine Spiele, sondern arbeitet mit Studios wie Dice und Respawn zusammen, die tatsächlich Star-Wars-Spiele produzieren. Da die Redaktion die Originalquelle nicht verlinkte, war nicht klar, wie genau die Falschmeldung zustande kam.
Zwei Dinge werden hier offenbar: Hat die Redaktion die Originalquelle tatsächlich gelesen, hat sie ein wesentliches Detail unterschlagen, damit man „neue Star-Wars-Spiele“ titeln kann; hat die Redaktion die Originalquelle nicht gelesen, war sie nicht imstande, andere Quellen vernünftig zu überprüfen und die Stellenausschreibungen richtig zu deuten.
Passend dazu heißt es im YouTube-Artikel:
„Journalistisch korrekt wäre es, die Quellen nicht nur deutlich zu machen, sondern auch noch mal nachzufragen: Wie war das gemeint? Ist das noch korrekt? Stimmt hier alles?“
Genau das hat die GameStar-Redaktion nicht gemacht.
Die Kategorien „Clickbait-Loch“ und „absurde Vorschaubilder“, wie es im GameStar-Text heißt, lassen sich bei einem weiteren Video finden.
In dem Thumbnail heißt es also:
„Besser als Star Wars 9“
Und die Headline lautet:
„Jedi Fallen Order ist cooler als Star Wars: Der Aufstieg Skywalkers“
Kurios: Das Video erschien zwei Monate vor der Veröffentlichung von Star Wars 9. Hier clickbaitet die Redaktion nicht nur ungeniert, es offenbaren sich weitere Unstimmigkeiten, denn, ja tatsächlich: Jedi Fallen Order war zum Zeitpunkt der Video-Veröffentlichung ebenfalls noch nicht erhältlich. Es handelte sich um eine Preview.
Über ein unveröffentlichtes Spiel sagt und schreibt die GameStar-Redaktion, es werde besser als ein unveröffentlichter Film, obwohl beides der Redaktion nicht in Gänze zugänglich war. Über einen journalistischen Teaser, der die Aufmerksamkeit der Zuschauerinnen und Zuschauer erregen soll, ging das weit hinaus.
Anderes Beispiel: Vor wenigen Tagen erschien folgender Ausblick:
Der Tenor ist klar: MMOs, die „bald“, also 2020 erscheinen sollen, werden in diesem Video vorgestellt. Doch ganz so genau nimmt die Redaktion es mit der Formulierung nicht.
- Ashes of Creation: Soll „theoretisch 2020“ erscheinen, heißt es, aber ganz sicher ist das nicht.
- Moonlight Blade: Es nicht nur nicht klar, wann das Spiel erscheint – es ist sogar nicht gänzlich geklärt, ob es überhaupt nach Europa kommt.
- Project TL: Im ersten Halbjahr soll die Closed Beta starten, ein finales Releasedatum ist allerdings nicht bekannt.
- Torchlight Frontiers: Ein Veröffentlichungsdatum ist nicht bekannt.
- Lost Ark: Es ist nicht bekannt, wann das Spiel erscheinen soll. Kürzlich hieß es, ein Release für 2020 sei nicht geplant. Im Video wird diese Meldung allerdings nicht erwähnt, obwohl es da ohnehin Verwirrungen um die Übersetzung gab.
Obwohl es im Video anfangs heißt, dass bei einigen Titeln nicht geklärt ist, ob sie tatsächlich in diesem Jahr erscheinen, suggerieren sowohl Titel als auch Thumbnail eine sichere Aussage: Sie erscheinen „bald“, sie erscheinen 2020. Hier führt GameStar die Zuschauerinnen und Zuschauer in die Irre. Der Inhalt des Videos deckt sich nicht mit den Aussagen in der Überschrift und dem Thumbnail.
Und noch ein Beispiel: Im Juni 2018 veröffentlichte GameStar ein Video zu The Elder Scrolls 6, also eines jener Spiele, zu denen besonders viele Leak- und Gerüchte-Meldungen produziert werden, wie es im Text heißt.
Zum Zeitpunkt des Videos war nichts über das Spiel bekannt. Gar nichts. Nur der Titel: „The Elder Scrolls 6“. Sonst nix. Dennoch benutzt die GameStar das Wort „Preview“ im Thumbnail, obwohl es keinerlei Infos gibt, die man im Rahmen einer Preview erzählen könnte. Zudem stand das Wort „Preview“ auch in der Überschrift, bis die Redaktion sie änderte, wie einige Zuschauerinnen und Zuschauer anmerken.
In einer Preview werden bereits bekannte Informationen über ein Spiel zusammengefasst und eingeordnet. Eigentlich. Ein Video mit „Preview“ zu bewerben und das zu einem Spiel, über das man nichts Handfestes sagen kann, ist genau jene Irreführung, die die GameStar im Text kritisiert.
Kurios wird es zudem, wenn man folgende Sätze aus dem Text betrachtet:
„In zahlreichen Videos finden sich angebliche Details zu Spielen, die es sonst nirgendwo zu sehen oder zu lesen gibt.“
„Im Gegenteil, viele YouTuber versuchen kleinste Info-Häppchen und Gerüchte zur größten Nachricht der Geschichte hochzuspielen.“
Das Video zu The Elder Scrolls 6 suggeriert mit dem mehrfach gesetzten Wort „Preview“ genau das: Die Community bekommt Infos über ein Spiel, zu dem die Zuschauerinnen und Zuschauer bislang keine Infos bekommen haben und deswegen klicken – obwohl keinerlei Erkenntnisgewinn entsteht, denn aus den nicht bekannten Infos kann sogar eine Redaktion wie GameStar nicht plötzlich neue Infos machen. Zumal die Entwicklung des Spiels damals noch gar nicht richtig gestartet ist, wie ein Bethesda-CEO betonte – was die Preview-Headline noch dreister erscheinen lässt.
Auf die zahlreich geäußerte Kritik der Community ging die Redaktion indes nicht ein.
Ein besonderes Beispiel thematisiert die GameStar-Redaktion zum Thema The Witcher 4. Der YouTuber „Frag Nart“ (Stephan) veröffentlichte im vergangenen Jahr ein Video mit folgendem Titel:
„THE WITCHER 4 kommt? The Witcher 3 war nicht der letzte Teil.“
Weiter heißt es:
„Basierend auf teils jahrealten Aussagen von Entwicklern von CD Projekt Red schlussfolgert Stephan, dass ein neues Abenteuer um Hexer Geralt quasi gesetzt ist.“
Seine Fans reagierten verwundert, wie GameStar schreibt. Schließlich betont die Redaktion:
„Ein neues Witcher wurde nirgendwo angekündigt.“
Der YouTuber veröffentlichte kurz danach ein weiteres Video, um die Verwirrung seiner Community zu klären und die genauen Quellen und Wortlaute zu zitieren. Die Video-Headline lautet:
„DIE WAHRHEIT ÜBER WITCHER 4“
Darüber schreibt GameStar:
„Bei beiden Videos fällt auf, was Fynn Kröger bemerkt hat: Die Titel, die mehr versprechen, als sie halten können, und uns sofort anfixen sollen.“
Per E-Mail äußert sich der YouTuber gegenüber GameStar. Er schreibt, dass Videonamen sehr wichtig seien und über den Erfolg des Videos entscheiden können. Er achte auf wahrheitsgemäße Headlines, wie er schreibt, doch eine leichte Überspitzung sei eine Möglichkeit, Interesse zu erzeugen. GameStar kommentiert dies so:
„Doch genau damit tanzt Stephan, so wie viele andere YouTuber, auf einer hauchdünnen Grenze zwischen Wahrheit und Irreführung.“
Hm.
Ende 2019 veröffentlichte die GameStar-Redaktion folgende News:
Worauf basiert die Meldung? Ein Hauptcharakter des Spiels, Ciri, ließ sich eine Rose tätowieren, im Verlauf der Geschichte wurde allerdings nicht ganz klar, was sie bedeutet und wie es dazu kam. Der Story-Schreiber sagte in einem Interview, die Zeit habe dafür nicht gereicht. Und:
„Maybe it’s something we’ll get to revisit in the future“
Das ist die Mini-Andeutung. Mehr kommt nicht. Das reicht für die GameStar-Redaktion, auf The Witcher 4 hinzuweisen, obwohl The Witcher 4 in der Originalquelle mit keinem Wort erwähnt wird. Warum? Weil es kein The Witcher 4 geben wird. Die Entwickler betonten zwar mehrfach, dass ein neues Spiel in diesem Universum wahrscheinlich sei, aber eben kein vierter Teil, da die Story um Geralt als Trilogie geplant war. Diese Einordnung liefert GameStar nicht – im Gegensatz zum YouTuber „Frag Nart“, der dieses Statement in dem zweiten Video zum Thema The Witcher nachliefert.
GameStar schreibt zwar, dass es längst nicht sicher ist, ob The Witcher 4 in Arbeit sei, schließlich spricht der Story-Schreiber nur von einem „maybe“, gleichzeitig vergisst die Redaktion vergangene Statements und ordnet die Aussage nicht ein. Verwunderlich ist auch, dass GameStar auf das Video von „Frag Nart“ mit The Witcher 4 im Titel mit einem Kommentar reagiert, dass kein The Witcher 4 angekündigt wurde, dabei selbst eine News veröffentlichte, die The Witcher 4 im Titel nennt, obwohl es keinerlei Hinweise darauf gab.
Der YouTuber „Frag Nart“ schreibt an GameStar, wie er mit Quellen umgeht. Am relevantesten seien Aussagen von Studios und Publisher, auch Aussagen von Journalistinnen und Journalisten wie Jason Schreier würde er nutzen. Plattformen wie Reddit oder 4chan hingegen eher nicht. Auch das kommentiert GameStar:
In der GameStar-News über ein vermeintliches The Witcher 4 hat die Redaktion nicht nachgefragt. Sie haben den Story-Autor nicht gefragt, wie das gemeint ist; sie haben die Entwicklerinnen und Entwickler von CD Projekt nicht gefragt, ob alte Aussagen zum Thema noch relevant sind; sie haben nicht gefragt, ob die Aussage korrekt von der Originalquelle wiedergegeben wurde. Genau genommen gibt sogar GameStar das Interview falsch wieder. So heißt es:
„Denn in einem Interview mit dem Writer Jakub Szamalek erwähnt der ein potentielles Witcher 4.“
Das stimmt nicht. Der Autor sagte, dass man vielleicht einen Story-Aspekt aus The Witcher 3 in Zukunft weiter beleuchten könnte. Von einem vierten Teil ist keine Rede. Zumal das Studio hinter der Witcher-Reihe, CD Projekt, bereits zwei Ableger produzierten, die abseits der Geralt-Geschichte weitere Aspekte des Universums beleuchteten: Thronebreaker: The Witcher Tales und Gwent. GameStar zieht nicht in Betracht, dass die Geschichte um ein Tattoo auch in einem Spin-Off erzählt werden kann. Stattdessen wird die Aussage auf den klickstarken Begriff „The Witcher 4“ bezogen.
Oder um es mit den Worten der GameStar zu sagen: Hier tänzelt die Redaktion auf einer „hauchdünnen Grenze zwischen Wahrheit und Irreführung“.
Um den Artikel über YouTuber besser einordnen zu können, ist wichtig zu wissen, wie GameStar zuvor über das Thema sprach. In einem Video über das Spiel Control sprach ein Redakteur über die ungewisse Qualität des Shooters.
Ob Control „nun ein gutes Spiel wird oder ob es trotz seiner ganzen spannenden Ansätze am Ende vielleicht wie ein Kartenhaus in sich zusammenfällt“, könne er nicht sagen. Eine Demo-Version, die er anspielen konnte, weckte Zweifel, ob die Entwicklerinnen und Entwickler von Remedy überhaupt in der Lage sind, einen Shooter mit den Elementen eines Metroidvania-Spiels zu kombinieren. Am wichtigsten war folgende Aussage:
„Ich will auch nicht den Teufel an die Wand malen. Aber in Zeiten, in denen Vorbesteller-Boni locken und bezahlte Influencer nach so einem Event erzählen, wie begeistert sie von der Demo sind, kann es vielleicht nicht schaden, auch mal Zweifel zu äußern und vor allem zu begründen.“
Der Tenor ist klar: Bezahlte Influencer, also auch YouTuber, erzählen nach einem Event, wie begeistert sie sind – und der Spielejournalist der GameStar äußert Zweifel. Eine kleine Stichelei, passiert.
In einem Video, das mehrere Monate zuvor erschien, äußert sich der gleiche Journalist zum gleichen Thema – allerdings mit einem Haken:
„Ich will keine Namen nennen“
Das Video, in dem diskutiert wird, wie der Spielejournalismus im Zeitalter von Influencer existieren kann, nennt also keine Namen. Weder wird das Spiel Control genannt, noch die Influencer, über die der Journalist viel zu sagen hat. Er beschreibt eine Szenerie, in der er mit einer Person über das Spiel gesprochen habe, die eher aus dem Influencer-Bereich komme, wie es im Video heißt. Beide seien sie der Meinung gewesen, dass nicht ganz klar geworden ist, wie gut Control nun eigentlich ist. Man könne zwar erahnen, was interessante Ansätze seien, aber:
„Aber sich jetzt hinzustellen und zu sagen, ‚das wird der Hammer, das ist der Wahnsinn‘, geht eigentlich gar nicht“
Danach beschreibt der Spielejournalist, wie die aus dem Bereich der Influencer kommende Person plötzlich in die Spiegelreflexkamera sagt, wie toll das Spiel sei. Dabei hat sich der GameStar-Journalist gefragt:
„Bin ich im falschen Film?“
Mehrere Monate vor dieser ganzen Situation, vor dem Control-Event, vor dem Video, vor der Bemerkung, Zweifel können nicht schaden, während Influencer Stimmung für ein Spiel machen, erschien ein anderes Video auf GameStar.de:
Das Vorschaubild sieht so aus:
Im Video selbst heißt es unter anderem:
„In diesem Video verrate ich euch, wieso man sonst einen der besten Story-Shooter des Jahres verpasst!“
Kurios daran ist, dass die GameStar am Ende des Videos tatsächlich sagt, es sei noch gar nicht klar, wie gut oder schlecht die Story letztlich sein wird. Zudem wird nicht deutlich, worauf die Lobpreisungen basieren; ob es ein Anspiel-Event gab, ob man bislang bekannte Infos zusammengefasst hat, all das teilt die Redaktion nicht mit.
Ein bisschen schwer zu verstehen, all das. Daher der kurze Versuch einer Chronologie:
- Im Mai 2019 veröffentlicht die GameStar ein Video über ein unfertiges Spiel. Einer der besten Story-Shooter des Jahres sei Control, ein Top-Shooter für Story-Fans.
- Es wird nicht klar, worauf das Lob basiert.
- Am Ende des Videos gibt die Redaktion zu, man wisse gar nicht, wie die Story eigentlich wird.
- Im Juli 2019 diskutiert GameStar in einem Video über Spielejournalismus und Influencer. Ein GameStar-Journalist fragt sich, ob er im falschen Film sei, als ein Influencer positiv über ein Spiel spricht, obwohl er sich zuvor im Gespräch mit dem Journalist eher neutral äußerte. Namen werden keine genannt.
- Im August 2019 veröffentlicht GameStar dann ein weiteres Video über das Event, das bereits im Juli 2019 Thema war, aber nicht genannt wurde. Diesmal werden Namen genannt, das Spiel heißt: Control. In dem Video heißt es, im Zeitalter der bezahlten, lobenden Influencer sei es wichtig, auch Zweifel zu äußern …
- … während GameStar bereits im Mai 2019 über Control sagte, dass es einer der besten Story-Shooter des Jahres sei, obwohl man neun Minuten später zugibt, dass man eigentlich nicht weiß, ob die Story gut oder schlecht ist.
Zum Thema Control gibt es hier weitere Details.
(In das GameStar-Video „Top 10 der Story-Games von 2019“ hat es Control übrigens nicht geschafft. Schade.)
Ja, ganz klar: Die Dreistigkeit einiger YouTuber erreicht GameStar nicht. Von „GTA 6 erscheint 2020“-Meldungen ist die Redaktion weit entfernt. Hin und wieder werden Gerüchte und Leaks vernünftig hinterfragt und eingeordnet. In dem Text stellt sich die Redaktion jedoch klar über die Arbeit einiger YouTuber.
Wenn es etwa heißt, dass Journalistinnen und Journalisten kritischer und skeptischer einordnen und die Redaktion die in Videos verwendeten Quellen gründlich überprüft, wird die eigene Arbeit aufgewertet und gleichzeitig vor kritischen Bemerkungen geschützt. Ein Report, der speziell YouTuber für Irreführung und Clickbait kritisiert, dabei die eigenen Fehler mit keinem Wort erwähnt, hinterlässt daher einen faden Beigeschmack.
Schließlich hätte der Artikel eine Chance sein können. Er hätte Fehler und Pannen in der eigenen Berichterstattung aufzeigen können, vielleicht mit Humor, mit einem Zwinkern, mit dem Hinweis darauf, dass es nun besser läuft. Stattdessen: Eine Verlinkung auf eine Einordnung von Leaks als Beispiel für gute, journalistische Arbeit.
GameStar benutzt nicht die Methoden der kritisierten YouTuber. Das ist offensichtlich und klar zu erkennen. Gewisse Gemeinsamkeiten, ein bisschen hiervon und davon lassen sich jedoch ohne Mühe finden. Clickbaitige Überschriften, der Headline zuwider laufende Video-Inhalte, grell kreischende Thumbnails – nicht in der gleichen Stärke wie die Boulevard-Gerüchteküche auf YouTube, aber Anlehnungen daran sind zu erkennen.
Zuvor getätigte Aussagen über Influencer passen daher gut ins Bild. GameStar will sich von ihnen abgrenzen, will journalistische Arbeit in den Vordergrund stellen, also jene Qualität, die es bei Influencern vermeintlich nicht oder nicht immer gibt. Eine Reflexion über die eigene Arbeit findet aber oft nicht statt. Ausgerechnet über Control wollte die Redaktion kritisch berichten und sich von YouTubern abgrenzen, ausgerechnet Control, das GameStar als eines der besten Spiele des Jahres herausstellte zu einem Zeitpunkt, als das Jahr nicht mal zur Hälfte vorbei war.
Als Beispiel für unsaubere Arbeit hätte man etwa die Clickbait-Meisterleistung um Cyberpunk 2077 und vermeintlich ausbleibende Zuschauerinnen und Zuschauer erwähnen können. Mit den Themen YouTube und Leaks kollidiert dieses Thema nicht auf den ersten Blick, offenbart aber eine ähnliche Vorgehensweise vieler von GameStar kritisierten YouTuber: Es war die berühmte „hauchdünne Grenze zwischen Wahrheit und Irreführung“. Mehr zum Thema hier.
Der YouTube-Report enthält viel Kluges, viel Hintergründiges, viel Spannendes. Die Schlammschlacht um die beklopptesten, um die erlogensten Videos wird jeden Tag aufs Neue geschlagen. Ein Gewinner steht indes nicht fest, vermutlich nie. Doch ein kritischer Blick auf die eigene Berichterstattung hinsichtlich Leaks und Gerüchte hätte den (manchmal berechtigten) Sticheleien gegen YouTuber zumindest ein wenig Glaubwürdigkeit verliehen.
Danke, wieder Mal hervorragender Artikel, der sich mit meinen latenten Eindrücken der letzten 14 Tage „GameStar YT Kanal“ deckt.
Meine Frau sagt zur News Show übrigens immer: „Ach, lesen sie wieder die Werbeflyer vor?“ 🙂
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