Das GameStar-Magazin existiert seit über 20 Jahren, doch erst vor einigen Wochen kündigte die Chefredaktion an: Wir haben übrigens auch journalistische Richtlinien, und während in dem Text gar keine Richtlinien zu finden waren, sondern erst einen Tag später in einem weiteren Text, weil das lediglich die Ankündigung für den sogenannten GameStar-Kodex war, was man nach 20 Jahren Magazinsgeschichte durchaus mal großspurig ankündigen darf mit Artikeln und Podcasts und Livestreams, da fragt man sich zwangsläufig: Was macht eigentlich das Schwestermagazin GamePro?
Viel, wohl aber keinen Journalismus. Der GameStar-Kodex gilt ausschließlich für die GameStar. Kein Wort über die GamePro. Und das hat einen Grund: Die sicherlich gut gemeinten Richtlinien kann man auf die Arbeit der GamePro schlicht nicht anwenden. Tägliches Beispiel: die News.
Erst vor kurzem veröffentlichte die Redaktion folgenden Beitrag:
Passend dazu steht im GameStar-Kodex: „Kein Clickbait“, und eigentlich wäre damit alles gesagt. Wie die GamePro allerdings mit derartigen News und dem dazugehörigen Feedback der Leser umgeht, ist einen zweiten Blick wert.
Unter der Cuphead-News schreibt beispielsweise ein User:
„Warum ist eigentlich nahezu jede Newsschlagzeile auf Gamepro – selbst wenn ihr Inhalt durchaus interessant ist – auf Bild-/Illustrieter-/Clickbait-Niveau formuliert?“
Wie reagiert die Redaktion? So:
„…“
Kein Wort, okay. Am 10. Mai schrieb die GamePro über The Last of Us 2:
Die Rückmeldungen der Leser fallen teilweise nicht sehr freundlich aus:
„Irgendwie fühle ich mich bei einer solchen dämlichen Meldung verarscht, weil man NICHTS darauf erkennen kann. Da klickt man drauf in der Hoffnung etwas neues zu erfahren, und was ist? Sowas solltet ihr wirklich mal lassen Gamepro, das macht einen einfach nur sauer.“
„sorry,nicht mal mit Brille ist da was zu erkennen.
Auf solche News kann ich gerne verzichten. !!“„Die verschwommene Silhouette einer sich bewegenden Figur ist für euch der EINDEUTIGE Hinweis auf Joel als spielbaren Charakter? Ernsthaft?“
Ein Youtube-User will angeblich in einem Video einen spielbaren Charakter erkannt haben, und das ist die Grundlage der Spekulationen:
Ein grober Umriss einer Person – das genügt, damit es die Redaktion als „vielversprechenden Hinweis“ verkauft. Schlicht nichts ist auf diesen Bildern zu erkennen, es kann Joel sein, aber auch jede andere Figur mit dem Körperbau eines Erwachsenen. Sind die Redakteure auf die Kommentare eingegangen? Nein.
Manchmal nimmt es derart absurde Züge an, dass man kaum glauben mag, es handele sich noch um das Schwestermagazin der GameStar, die – bei aller Kritik – zumindest bemüht ist, guten Journalismus zu produzieren, woran GamePro offensichtlich kein Interesse hat, wenn man folgende Headline liest:
Wie die GamePro darauf kommt: Zum Star-Wars-Feiertag veröffentlichte Sam Witwer, der Darsteller von Galen Marek aus „Star Wars – The Force Unleashed“, ein Bild von seinem Charakter, so wie es eigentlich jeder tat, der bislang mit Star Wars in Berührung kam. Da aber der Twitter-Account von „EA Star Wars“ den Tweet geliked hat, vermutet GamePro nun, dass der Charakter Galen Marek im kommenden Star-Wars-Spiel enthalten ist.
(Nebenbemerkung: GamePro zeigt dabei ein Bild von dem Tweet, der von „EA Star Wars“ geliked wurde. Dieses Bild allerdings kommt vom dazugehörigen Reddit-Eintrag, auf den sich die Redaktion bezieht. Eine Quellenangabe zum Bild fehlt, und so sieht es so aus, als stamme es von GamePro – was nicht der Fall ist. Es fehlte der Redaktion offensichtlich an Kraft sowohl für einen eigenen Screenshot als auch für die Angabe der Quelle unter dem Bild.)
Der „EA Star Wars“-Account mochte am gleichen Tag ebenfalls ein Bild von einem Star-Wars-Battlefront-Entwickler, doch dazu schlussfolgerte niemand, dass nun Charaktere aus den Battlefront-Singleplayer-Missionen auch in „Star Wars Jedi Fallen Order“ stattfinden. Warum? Weil es bescheuert wäre. Dementsprechend sehen die Reaktionen dazu aus:
„Echt jetzt? Lernt ihr es nie? Sowas ist keine News….nur Blödsinn!!!“
„Das ist wirklich keine News wert.“
„Klasse News. Danke. Muss so. Drauf gewartet. Mega Info. #glaskugel #sinnfrei #clickbait #seo“
„Woraus man nicht alles ne News machen kann….immer wieder faszinierend.“
Wie reagiert GamePro auf diese Kommentare? Gar nicht.
Es lässt sich munter fortführen:
Kommentare dazu:
„Diesmal sag ich nix mehr. Sinnlose news.“
„The Last Of Us 2 – Verzweifelte Redaktion konstruiert News!“
„Und solange Leute wie wir auf News wie diese klicken wird sich nichts ändern…“
„Kann die Gamepro ENDLICH mal aufhören, diese unseriösen Schwachsinns-News (unter „News“) zu verbreiten?“
Antworten der GamePro? Keine.
Kommentare der Leser:
„Daraus einen Artikel zu machen ist schon eine Leistung. Das schaffen sonst nur die Magazine, die so beim Friseur rumliegen…“
„Ist das eine News wert?? Die News ist, dass es keine News zu TLoU2 geben wird.“
GamePro-Reaktion? Keine.
In einer News schreibt GamePro über ein Spiel, das auf einem sehr emotionalen Vorgänger basiert und eigentlich vorwiegend deshalb so verdammt erfolgreich war, folgendes:
Eine News basierend auf einem Tweet, in dem eine Schauspielerin andeutet, dass ihre Arbeit hart gewesen sei, finden nicht alle Leser cool:
„“schnarch“ was für eine news“
„Wow, emotionale Szenen in TloU 2. ND scheint ganz neue Wege zu gehen…“
„Ok, dies ist nun wirklich sehr wenig neuer Inhalt für eine News.“
Ging die Redaktion darauf ein? Nein.
The Last of Us 2 lässt sich übrigens hervorragend als Beispiel anführen, wie GamePro in News-Überschriften mehr verspricht als eigentlich gegeben ist, auch ohne erboste Kommentare der Leser. Siehe hier:
Nein, Sony hat keinen neuen Trailer veröffentlicht, wie die Headline suggeriert. Es ist ein Video, das Fans erstellt haben und sich lediglich an dem Spiel orientiert und sonst in keinerlei Zusammenhang steht mit The Last of Us 2.
Nicht erst seit gestern diskutieren Leser über die News-Sektion der GamePro. Bereits im März 2017 kritisierte ein Leser die Berichterstattung, die oftmals „null Informationswert“ habe, und obwohl der entsprechende Beitrag zahlreiche Beispiele anführt und sachliche Kritik enthält, gab es keinen einzigen Kommentar seitens der GamePro.
Man kann das so machen: Leser ignorieren, das ist total okay und sicherlich schont das auch die Nerven der Redakteure, und ja, unter einigen der hier angeführten News diskutierten einige Leser mehr über den Inhalt des Textes als über die Qualität, aber es steht beispielhaft für eine Entwicklung, von der sich das Schwestermagazin GameStar (glücklicherweise) abgegrenzt hat: Clickbait und fehlende Interaktion mit Lesern. Auch bei der GameStar hapert es oftmals an der Kommunikation, guckt man sich aber an, wie im Forum oder ausgewählten Texten auf Leser-Kommentare eingegangen wird, merkt man das Engagement.
Die GamePro hingegen wehrt sich nicht gegen Kritik, schlimmer noch: sie wird ignoriert. Solange die Klickzahlen stimmen, mag das ein legitimes Mittel für die Fortführung des Erfolges sein. Wenn Übersetzungen von Reddit-Beiträgen eine Klientel anlockt, die die GamePro nicht von der „BILD der Frau“ unterscheiden kann, birgt eine Konfrontation mit kritischen Lesern nur unnütze Mehrarbeit, die ohnehin dem Erfolg widerspricht, nach dem Motto: Wenn es läuft, dann läuft es, wozu also mit einer Minderheit sprechen?
Es lässt jedenfalls tief blicken, wie die GamePro bei einer groß angekündigten Journalismus-Offensive der großen Schwester keine Erwähnung findet, obwohl sie sich den Chefredakteur und das Design der Web-Auftritte teilen.
Fast will man den beiden Magazinen danken, dafür, dass durch den GameStar-Kodex deutlich wird, welche der beiden Redaktionen hohen Ansprüchen gerecht werden will – und welche nicht.