Medienkritik

Preview-Videos der GameStar: Kaum jemand liest diesen Text. Ein Fehler!

Wie das passieren konnte, frage ich mich. Ihr kennt Control nicht. Control? Control. Das Spiel da, dieses eine Game von, Moment, äh, hierdings, von Dings, vonvonvon, na von denen da halt, Control eben, von – genau, Remedy, die Macher von Max Payne und Alan Wake! Weil offensichtlich viele Leser der GameStar ähnlich stammeln wie ich, pirscht die Redaktion in die Nähe jener Unwissenden und präsentiert folgendes Video:

videotitel

Wie der Titel schon vermuten lässt: Control ist noch nicht erhältlich (Release: August 2019), weswegen es sich um ein Vorschau-Video handelt.

So ein bisschen wird man das Gefühl nicht los, dass die GameStar bereits eine Meinung hat, eine wahrhaft brunftige Meinung, wie das Bild zum Video vermuten lässt:

videobild

Und in der Video-Beschreibung steht dann das:

videobeschreibung

Fast im Wortlaut ist der obige Absatz auch im Video zu hören.

Zusammengefasst:

  • Laut GameStar ist Control „einer der besten Story-Shooter des Jahres“.
  • Laut GameStar ist es ein Fehler, Control nicht zu beachten.
  • Laut GameStar ist Control ein „Top-Shooter für Story-Fans.“

Worauf basiert dieses Urteil über einen Titel, den keine Redaktion auf der Welt bislang durchgespielt hat? Das wird in dem gesamten 9-minütigen Video nicht klar. Mit keiner Silbe verrät der Redakteur, ob er Control angespielt oder lediglich durch Präsentationen gesehen hat. Einige der im Video verwendeten Szenen stammen zudem aus Material, das bereits seit Monaten bekannt ist.

Es ist also ein Puzzle, und dieses Puzzle besteht nun darin, zu enträtseln, wie die GameStar-Redaktion solche Superlative wie „Top-Shooter“ und „einer der besten Story-Shooter des Jahres“ rechtfertigt. Vielleicht so:

  • In einem Plus-Artikel berichtet die GameStar über den Entwickler Remedy, oh freude: sie durften das Studio besuchen. Das war Ende März. Basiert das Preview-Video auf den dort erhaltenen Infos? Man weiß es nicht.
  • Bei einem ebenfalls Ende März veröffentlichten Gameplay-Trailer erwähnt die GameStar das „beeindruckende“ und „schicke“ Art-Design und die „coole Action“. Basiert das Preview-Video auf diesem Trailer? Man weiß es nicht.
  • Anfang des Jahres veröffentlicht die GameStar ein Video namens „Games mit Top-Grafik 2019 – Die schönsten Spiele des Jahres im Video-Ausblick“. Teil davon: Control. Basiert das Preview-Video auf diesem Ausblick? Man weiß es nicht.
  • Im Sommer 2018 schrieb die Redaktion über Control folgendes: „Das Beste aus Alan Wake und Quantum Break“. Basiert das Preview-Video auf diesem Artikel? Man weiß es nicht.
  • Zur Ankündigung des Spiels im Juni 2018 lobte ein GameStar-Redakteur die „butterweichen Animationen“ und die „beeindruckend“ wirkende zerstörbare Umgebung. Zwar muten die Kämpfe seicht an, „aber das wahre Highlight von Control ist die bizarre Spielwelt“. Basiert das Preview-Video auf dieser Vorschau? Man weiß es nicht.

Eines weiß man nun definitiv: GameStar feiert Control. Skepsis war in der ersten Preview durchaus noch klitzeklein enthalten, sie war der tadelnde Zeigefinger in der Größe einer Mäusepfote. Mit jeder weiteren News und jedem weiteren Artikel jedoch steigerte sich das Lob, und nun ist der Höhepunkt erreicht: Die im Video verwendeten Spielszenen fallen insbesondere durch den „Work in Progress“-Hinweis auf, was die Redaktion allerdings nicht davon abhält, über ein noch nicht veröffentlichtes Spiel in einem erst 148 Tage jungen Jahr folgendermaßen zu urteilen: einer der besten Shooter des Jahres.

Befremdlich wird es dann am Ende des Videos, wenn der Redakteur sagt:

„Letztlich bleibt die Frage, ob die Story auch was taugt.“

Hm? Zur Erinnerung: Die Redaktion nennt Control einen „Top-Shooter für Story-Fans“ und beschreibt es als „einen der besten Story-Shooter des Jahres“. Und nun ist der GameStar plötzlich nicht klar, ob die Story überhaupt etwas taugt?

In dem jüngst veröffentlichten GameStar-Kodex schreibt die Redaktion, man wolle nicht für die Industrie werten, sondern für die Leser.

Ist dieser Leitfaden bei dem Preview-Video zu Control verschütt gegangen? Schließlich bewertet die GameStar ein unveröffentlichtes Spiel mit dem Prädikat „Top-Shooter für Story-Fans“, obwohl sie am Ende zugeben, dass sie gar nicht wissen, wie gut oder schlecht die Story wird.

Natürlich ist es möglich, dass Control ein überragendes Spiel wird, eines, das es in die Bestenlisten schafft. Die vorherigen Spiele von Remedy beweisen sicherlich den Mut zur Innovation, belegen aber auch die oftmals verheerenden Schwächen des Studios. Eine Skala der Wahrscheinlichkeiten über die Handlung von Control darf also nicht nur „das Beste des Jahres“ enthalten, sondern muss in jedem Fall auch „das Bekloppteste des Jahres“ als Möglichkeit aufzeigen. Für diese unsexy wirkende, aber realistische Einschätzung hat die GameStar keinen Platz. Im Gegenteil: Control wird nicht gut oder könnte gut werden – es IST bereits ein Shooter des Jahres.

Aber hey, immerhin: Ihr kennt jetzt Control. Wo ihr eure Kaufentscheidung einholen solltet und wo nicht, wisst ihr jetzt vielleicht.

3 Kommentare

  1. Auf RockPaperShotgun ist ein ideales Gegenbeispiel zu Control. Der Tester hat direkt eingeschränkt (eine Stunde selbst gespielt mit Entwickler an der Seite) und das gesamte, 1000% aussagekräftigere Review bezieht sich auf das, was er in diesem Zeitraum gemacht hat.

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    1. Ja, tatsächlich, die Preview liest sich wesentlich glaubwürdiger. Von dem Niveau von RockPaperShotgun sind allerdings viele Magazine weit entfernt, deswegen verwundert mich das nicht. Zumal der Text auch einfach smart und witzig geschrieben ist, hach.

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