Medienkritik

Trennung von Werbung und Redaktion: GameStar hat (nicht nur) ein Definitionsproblem

Kaum ein Magazin legt so viel Wert auf die Eigendarstellung wie das reichenweitenstärkste Spieleportal Deutschlands: GameStar. Nicht nur verpflichtete man sich freiwillig dem Pressekodex, die Chefredaktion veröffentlichte darüber hinaus 2019 einen umfangreichen Kodex, der journalistische Richtlinien klar benennt und für die tägliche Arbeit der GameStar als ständiges Ziel ausgerufen wurde – all das nach 20 Jahren Unternehmensgeschichte.

Doch ein Punkt wird seit Jahren ständig und überall, unabhängig vom Kodex, in Wort und Schrift und Ton gebetsmühlenartig hoch und runter getippt, gesagt und gerufen: die Trennung von Redaktion und Anzeigenabteilung, einer der wichtigsten Grundpfeiler journalistischer Arbeit. Eine aktuelle Beschwerde aus der GameStar-Community lässt allerdings Zweifel aufkommen.

Daran, ob die GameStar-Redaktion eine lückenlose Unabhängigkeit noch immer gewährleisten kann.

(Anmerkung: Obwohl ich in vielen meiner Artikel die Namen der jeweiligen Redakteur*innen nicht genannt habe, weil dahinter oftmals größere Probleme steckten, die von mehreren Beispielen oder Chefredaktionen und somit Autor*innen getragen wurden, halte ich das in diesem Fall anders, da es explizit um die Definition des Wortes „Redaktion“ und der Mitwirkung einzelner Personen bei werblichen Inhalten geht. Obwohl teilweise relevant für meine Recherche, verzichte ich bewusst auf Screenshots aus den Werbevideos und Livestreams, die etwaige Redakteur*innen zeigen.)


Am 7. Mai 2021 öffnete ein GameStar-User einen Thread im Feedback-Forum der GameStar. Er oder sie kritisiert eine aktuelle „Sponsored Story“, also einen werblichen Text, der auf einen ebenfalls gesponserten Livestream hinweist und deutlich mit „Anzeige“ gekennzeichnet ist. Der User kritisiert dabei weniger die Kennzeichnung als vielmehr die Anwesenheit vermeintlicher Mitglieder der GameStar-Redaktion.

Nur wenig später gibt es eine offizielle Antwort, und sie könnte nicht offizieller sein: Heiko Klinge, Chefredakteur der GameStar, äußert sich persönlich zum Fall.

„Zur Trennung von Anzeigen und Redaktion: Ann-Kathrin und Christian sind nicht Teil des aktuellen GameStar-Redaktionsteams, sondern gehören zum Youtube- und Livestream-Team. Der gesponserte Stream hat keinerlei Einfluss auf unsere Berichterstattung, und AK und Fritz werden selbstverständlich auch keine journalistischen Artikel zu Warpips verfassen, geschweige denn einen Test.“

(Quelle)

Übersetzt heißt das: Alles halb so wild, Anzeigenabteilung und Redaktion arbeiten weiterhin getrennt, weil die betreffenden Personen gar keine Teile der Redaktion sind. Bei den Worten „aktuelles GameStar-Redaktionsteam“ verlinkt der Chefredakteur auf eine Vorstellung aller Teammitglieder im GameStar-Kodex, die offenbar das aktuelle Redaktionsteam darstellen soll. Wer dort nicht zu sehen ist, ist auch kein Mitglied der Redaktion, darf demnach also Werbung machen, so zumindest der Tenor des Chefredakteurs. Also, tja, ist das Problem doch gelöst. Oder?

Nicht ganz.

In den vergangenen Jahren jedenfalls äußerte sich der Chefredakteur immer wieder zum Thema, nach Kritik oder Diskussionen im Gespräch mit dem Leserinnen und Lesern, etwa im Mai 2020:

„Bei GameStar arbeiten Redaktion und Anzeigenabteilung getrennt voneinander. Das heiß, dass ich mit einem Publisher über Inhalte und Umfänge spreche, aber nicht über Werbebuchungen.“

(Quelle)

Oder 2016:

„[…] Redaktion und Anzeigenabteilung SIND bei GameStar getrennt. Nach wie vor. […]

(Quelle)

Und auch 2015:

„Auf die Werbung hat die Redaktion glücklicherweise keinerlei Einfluss. Genausowenig wie die Anzeigenabteilung Einfluss auf uns hat.“

(Quelle)

Derlei Statements gehen weit zurück, sehr, sehr weit, etwa 2007, damals noch nicht in der Position des Chefredakteurs:

„Wie hier schon angemerkt wurde, arbeiten bei uns Redaktion und Anzeigenabteilung strikt getrennt voneinander. Und das ist auch gut so, weil es unsere journalistische Unabhängigkeit sichert.“

(Quelle)

Im Jahr 2012 hieß es:

„[…] Und wir antworten gebetsmühlenartig, dass bei uns Anzeigenabteilung und Redaktion streng voneinander getrennt arbeiten.“

(Quelle)

Oder 2015:

„Wie Markus schon schrieb, arbeiten bei uns Redaktion und Anzeigenabteilung getrennt voneinander. Im Gegensatz übrigens zu vielen anderen Medienhäusern.“

(Quelle)

Und ebenfalls im Jahr 2015 schreibt der Chefredakteur:

„Ein Chefredakteur ist kein Geschäftsführer und kein Anzeigenleiter. Ein Grund, warum ich nun seit 14 Jahren bei diesem Laden arbeite, ist eben, dass bei uns Anzeigenabteilung und Redaktion strikt getrennt voneinander arbeiten.“

(Quelle)

Weitere Mitarbeiter*innen der GameStar äußerten sich im Laufe der Jahre immer wieder zur Trennung von Werbung und Redaktion, etwa der „Head of Webedia Gaming“:

„Wir Online sehen die Werbung genau dann, wenn sie die User auch sehen, nämlich wenn sie auf der Seite ist.“

(Quelle)

Die Community-Managerin schrieb mehrere Beiträge in entsprechenden Diskussionen im Forum.

„Zei[g]t spannenderweise aber auch, dass Redaktion & Anzeige eben doch strickt getrennt sind, sonst hätten wir die Anzeige ja nicht runtergenommen, wenn wir vorher davon gewusst hätten.“

(Quelle)

„Keiner der genannten Mitarbeiter sitzt direkt in der GameStar-Redaktion, weswegen die strikte Trennung weiterhin eingehalten wird.“

(Quelle)

„Zum einen habe ich persönlich nur sehr wenig Einblicke, wie die Werbung bei uns abläuft (weil Redaktion & Anzeigen strikt getrennt werden) […]“

(Quelle)

Von einem Mitglied der Chefredaktion hieß es 2015:

„Wenn wir sagen, bei uns ist Redaktion und Anzeigenabteilung getrennt, dann trifft das natürlich auch auf die Sponsored Storys (auch Advertorials genannt) zu.“

(Quelle)

Ein weiteres Redaktionsmitglied schrieb 2015 im Forum:

„Wir verschleiern vor allem als Redaktion gar nichts. Zum einen hat die Redaktion mit den Werbeinhalten auf der Seite gar nicht zu tun (weder die Texte, noch Videos oder Bilder werden in der GameStar-Redaktion erstellt), zum anderen sind alle Werbeinhalte ganz klar und meist mehrfach als Advertorials und/oder Promotion gekennzeichnet, sodass es zu keiner Vermischung kommt.“

(Quelle)

Es finden sich noch viele weitere Wortmeldungen, unter anderem von ehemaligen Redakteuren und teilweise über 12 Jahre alt. Sie alle sagen das gleiche: Redaktion und Anzeigenabteilung arbeiten getrennt voneinander.

Doch das scheint nicht mehr ganz richtig zu sein.


Der aktuelle Fall zeigt, wie die GameStar-Chefredaktion die Definition von „Redaktion“ offenbar anders definiert als Teile der Leserschaft. Nämlich unter anderem dann, wenn es zu Beschwerden kommt: Zwei Redaktionsmitglieder seien Teil einer Werbung, heißt es. In der betreffenden „Sponsored Story“ steht folgendes:

„AK, Fritz und Max Bernardi von Daedalic stürzen sich heute Abend gemeinsam mit Entwickler Scott Thunelius in das Pixel-Strategiespiel Warpips, das gerade erst frisch in die Early Access Phase eingetreten ist.“

(Quelle)

Und weiter heißt es:

„Ab 16 Uhr streamt unsere liebe Ann-Kathrin zusammen mit Christian Fritz Schneider und Daedalics Product Manager Maximilian Bernardi das Spiel live auf Twitch und YouTube.“

Sowohl der Text, der als Ankündigung für den Livestream fungiert, als auch der Livestream selbst sind als Anzeige gekennzeichnet und waren bei Twitch und Youtube zu sehen. In dem 3-stündigen Stream ist links oben das Wort „Werbung“ eingeblendet.

Auf die Kritik des Users, dass dies eventuell journalistisch „fragwürdig“ sei, antwortet der Chefredakteur:

„Ann-Kathrin und Christian sind nicht Teil des aktuellen GameStar-Redaktionsteams, sondern gehören zum Youtube- und Livestream-Team.“

Die genannten Personen, die keine Redaktionsmitglieder sein sollen, sind also Ann-Kathrin Kuhls und Christian Schneider und sie gehören zum „Youtube- und Livestream-Team“. Sie sind aber nicht Teil der Redaktion – auf diesen Umstand legt der Chefredakteur wert.

Wenn also beispielsweise Christian Schneider kein Mitglied der GameStar-Redaktion sein soll – wieso wird er in unzähligen Videos als Teil der Redaktion beschrieben?

Zum Beispiel bei dem Preview-Video zu Biomutant.

(Quelle)

Oder bei der „Gameplay-Preview“ zu Terran Command.

(Quelle)

Oder bei einem Video über den Flight Simulator.

(Quelle)

Oder bei der Preview zu Scavengers.

(Quelle)

Oder beim „Test / Review“ von Everspace 2.

(Quelle)

Oder beim Test von Fenyx Rising.

(Quelle)

Oder beim Test von Dirt 5.

(Quelle)

Oder beim Test von Ghostrunner.

(Quelle)

Und das waren lediglich Beispiele aus den vergangenen Wochen und Monaten. Es gibt noch viel mehr Videos, in denen ein Mitglied der Redaktion, das keines sein soll, als Mitglied der Redaktion ausgewiesen wird, wie hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier oder hier.

Auch das zweite Nicht-Mitglied der Redaktion, Ann-Kathrin Kuhls, wird in mehreren Videos unter dem Wort „Redaktion“ angegeben.

(Quelle)

Weitere Beispiele lassen sich hier und hier finden.

Laut GameStar-Chefredakteur sind beide Personen nicht Teil der Redaktion. Sie gehören stattdessen zum „Youtube- und Livestream-Team“. Aber was bedeutet das im Detail?


Im eingangs erwähnten Posting des Chefredakteurs verweist er auf den GameStar-Kodex.

„Mehr Details zu unseren Grundsätzen zur Trennung von Anzeigen und Redaktion könnt ihr in unserem GameStar Kodex nachlesen.“

Und was genau sagt der GameStar-Kodex dazu? Folgendes:

Trennung von Anzeigen und Redaktion
Wir fühlen uns dem deutschen Presserecht und der eindeutigen Trennung zwischen unabhängiger, redaktioneller Berichterstattung auf der einen und Werbung auf der anderen Seite verpflichtet.

(Quelle)

Eindeutiger geht es nicht. Da steht’s: Redaktionelle Berichterstattung auf der einen, Werbung auf der anderen Seite. Nix haben die miteinander zu tun, denn diesem Grundsatz „verpflichtet“ sich die GameStar-Redaktion. Und doch dient der Kodex zeitgleich als Beweis dafür, dass der Chefredakteur offenbar die eigenen Richtlinien der Redaktion nicht gut genug kennt.

Denn im Kodex werden explizit auch Videos erwähnt, auf die der Kodex angewandt wird.

Folgen wir also kurz der Argumentation des Chefredakteurs, dass zwei Redaktionsmitglieder, die gar keine Mitglieder der Redaktion sind, in einem gesponserten Livestream auftreten, weil sie in Wirklichkeit Teil des „Youtube- und Livestream-Teams“ sind, dann gilt der GameStar-Kodex trotzdem für sie, denn Video-Inhalte und Livestreams tauchen mehrfach in Formulierungen des Kodex auf.

„Wir schreiben Artikel und produzieren Videos für alle, die Spiele genauso lieben wie wir.“
„Falls wir für unsere Artikel und Videos auf Fremdquellen zurückgreifen, prüfen wir diese zuvor auf Glaubwürdigkeit und verlinken sie transparent im Text.“
„Wir versuchen, möglichst viele Aspekte unseres Hobbys abzudecken und für die Geschichte das beste Format zu wählen – egal ob Text, Video, Podcast, Livestream etc.“
„Es soll Spaß machen, unsere Texte zu lesen und unsere Videos zu schauen.“
„Unsere Artikel und Videos richten sich an Leser und Zuschauer, die Spiele lieben, sich also grundsätzlich mit ihnen auskennen.“
„Häufig bekommen wir Informationen sowie Spiel-Versionen, die an Embargos geknüpft sind, was in der Regel heißt, dass wir die daraus resultierenden Artikel und Videos erst zu einem bestimmten Termin veröffentlichen dürfen.“

Eine eigenartige Formulierung fällt indes bei dem Punkt „Richtigkeit“ auf:

„Bei sämtlichen Artikeln und Videos auf GameStar.de gilt das Vier-Augen-Prinzip, das heißt die Inhalte werden wann immer möglich von einer zweiten Person überprüft.“

Könnte diese Formulierung bedeuten, dass der Kodex – und somit die Trennung von Anzeigenabteilung und Redaktion – lediglich für Inhalte gilt, die auf dem Onlineportal GameStar.de erscheinen und nicht bei Youtube?

Nein, denn auf der ersten Kodex-Seite heißt es:

„Die GameStar hat im September 1997 das Licht der Welt erblickt, und zwar in Form eines Print-Magazins. Heute betreiben wir nicht nur Deutschlands reichweitenstärkste Website für PC-Spieler GameStar.de, sondern auch Europas größten redaktionellen Gaming-Channel auf Youtube.“

Da steht’s: „redaktioneller Gaming-Channel“, persönlich vom Chefredakteur veröffentlicht, der zwei Jahre später schreibt, zwei auf Youtube mit „Redaktion“ beschriebene Redaktionsmitglieder seien nicht Teil des „aktuellen GameStar-Redaktionsteams“. Der Text nimmt explizit Bezug auf GameStar als Onlineplattform und GameStar als „größer redaktioneller“ Gaming-Channel auf Youtube.

Was auffällt: Auf der ersten Seite des Kodex‘ stellen sich alle aktuellen Redaktionsmitglieder der GameStar kurz vor, so wie der Chefredakteur dies auch im eingangs erwähnten Statement unter dem Punkt „aktuelles Redaktionsteam“ verlinkt hat. Das heißt: Zu sehen sind alle Redakteurinnen und Redakteure der GameStar. Eigentlich.

Es fehlen jedoch mehrere Personen – genau die, die laut Chefredakteur zum „Youtube- und Livestream-Team“ gehören, also zum Beispiel Christian Schneider, Ann-Kathrin Kuhls oder auch Michael Obermeier. Wenn sie nicht aufgelistet sind bei dem Punkt „unser Team“, ja zu welchem Team gehören sie denn dann?

Klar, zum „Youtube- und Livestream-Team“, zumindest schreibt das der Chefredakteur so, aber Inhalte von Videos und Livestreams werden im eigentlichen Kodex ja dennoch erwähnt. Also für wen gilt der Kodex? Wie viele Redaktionen hat GameStar vorzuweisen? Und warum liegt da eigentlich Stroh?

Ein weiterer Punkt fällt auf, der dem Chefredakteur deutlich widerspricht: unzählige vermeintliche Youtube-Inhalte von vermeintlichen Personen des „Youtube- und Livestream-Team“ sind auch auf GameStar.de zu finden.


Laut GameStar-Chefredakteur gehört zum Beispiel Christian Schneider nicht zum eigentlichen Redaktionsteam von GameStar.de. Und doch erscheinen viele seiner Videos, in denen er als „Redaktion“ angegeben ist, auf, naja, GameStar.de. Eine Profilseite von Schneider lässt sich ohne Mühen finden und wird auch in der aktuellen Beschwerde im Forum erwähnt. Und die zeigt das:

(Quelle)

Zunächst wird seine Position – erneut entgegen der Aussage des Chefredakteurs – klar als „Video-Redakteur für beide Magazine“ angegeben. Darüber hinaus lassen sich 982 (!) Videos finden – allein auf GameStar.de, unabhängig von Youtube oder Twitch.

Kurze Zusammenfassung: Im Feedback-Forum beschwert sich ein User über zwei Gamestar-Redaktionsmitglieder, die in einem vom Publisher finanzierten Livestream auftreten und in einer „Sponsored Story“ erwähnt werden. Daraufhin antwortet der Chefredakteur persönlich, beide Personen seien nicht Teil der Redaktion, sondern gehören zum „Youtube- und Livestream-Team“, somit sei die Trennung von Anzeigenabteilung und Werbung gewährleistet. Dass die Personen sich auf Video-Inhalte konzentrieren, stimmt tatsächlich, doch in eben diesen Inhalten werden beide unzählbar oft als „Redaktion“ angegeben, ebenfalls sind viele dieser Youtube-Inhalte unverändert auch auf GameStar.de zu finden, zusammen mit Formulierungen, die von „Video-Redakteur“ bei „GameStar & GamePro“ sprechen. Im GameStar-Kodex, auf den der Chefredakteur verweist, werden Livestream- und Video-Inhalte explizit in mehreren Formulierungen genannt.

Diese ständigen Widersprüche gehen weiter zurück als die Beschwerde im Forum vermuten lässt.


Unter einem Artikel über GTA 6 beschwert sich ein GameStar-User im April 2020 über vermeintliche Redakteure, die für Werbevideos verantwortlich sein sollen. Unter anderem geht es um Christian Schneider und Michael Obermeier. Die Community-Managerin antwortet:

„Bei GameStar werden Werbung und redaktionelle Inhalte strikt getrennt. Deshalb ist das Video auch eindeutig gekennzeichnet. Michi arbeitet als Video Host und Producer, nicht als Redakteur oder Spieletester. Entsprechend nimmt seine Arbeit auch keinen Einfluss auf die redaktionelle Berichterstattung von GameStar.de.“

(Quelle)

Die von dem User erwähnten Videos betreffen mehrere Werbevideos zum Bethesda-Spiel Doom. Michael Obermeier etwa produzierte zwei als Werbung gekennzeichnete Videos über die Geschichte von Doom, veröffentlicht am 10. März und am 16. März 2020. In der Videobeschreibung des ersten Teils heißt es:

„Text, Schnitt & Sprecher: Michael Obermeier“

(Quelle)

Und im Video selbst ist folgendes zu sehen:

In einem Werbevideo den Autor der Werbung als „Redaktion“ anzugeben, erscheint zunächst absurd – und widerspricht der Aussage der Community-Managerin, die schrieb, Obermeier sei kein Redakteur. Die Videoreihe wurde auch auf GameStar.de gezeigt in einem Text, der als „Sponsored Story“ markiert war.

„Die DOOM-Geschichte – Michi wirft einen genauen Blick auf 30 Jahre DOOM [Anzeige]“

(Quelle)

Hier wird also explizit mit dem bekannten Namen und somit mit der Person geworben – für Werbung.

In dem anderen gesponserten Doom-Video erklärt Christian Schneider, wie das Studio id Software die Zukunft der Ego-Shooter beeinflussen könnte. Auch dort ist das Wort „Redaktion“ zu sehen:

(Quelle)

Das kleine Bildchen deutet es bereits an: Im Gegensatz zur zwei-teiligen Videoreihe über die Doom-Geschichte ist der Redakteur der Nicht-Redakteur mehrfach als Person im Video zu sehen – also auch hier eine Werbung, die einen Redakteur zeitweise in den Vordergrund von Werbung rückt.

Nur wenige Tage vor den Werbevideos veröffentlichte GameStar ein Video über Doom Eternal mit folgender Headline:

„Der erste große Blockbuster-Shooter 2020 – Die finale Preview vor Release von DOOM Eternal“

(Quelle)

Von wem stammt dieses Video, das das Format der redaktionellen Preview nutzt und explizit keine Werbung ist?

(Quelle)

Diese Namensnennungen stammen nicht von Youtube, sondern von GameStar.de, denn auch dort ist das Video eingebunden. Kurze Erinnerung an das Statement der Community-Managerin:

„Michi arbeitet als Video Host und Producer, nicht als Redakteur oder Spieletester. Entsprechend nimmt seine Arbeit auch keinen Einfluss auf die redaktionelle Berichterstattung von GameStar.de.“

Die Realität sieht offenbar anders aus: Der hier erwähnte Michael Obermeier tritt als Redakteur auf, wohlgemerkt in einem redaktionellen Format der Previews, wird dabei von Christian Schneider befragt, und diese Video-Preview erscheint auf GameStar.de, wobei beide nur wenige Tage später in Werbevideos auftauchen und sie produzieren. Wie kann das keinen Einfluss auf die „redaktionelle Berichterstattung von GameStar.de“ nehmen?

Nach der Produktion der Werbevideos war Michael Obermeier im August 2020 an einem weiteren Video beteiligt, das eine Video-Preview über ein neues Doom-Addon sein soll.

(Quelle)

Zu Beginn des Videos wird der Youtube-Hinweis „enthält bezahlte Werbung“ eingeblendet, obwohl nichts in dem Video auf einen Werbeinhalt hindeutet. Auch in der Videobeschreibung wird nicht erklärt, worauf sich die Markierung bezieht. Ob es sich um ein Werbeformat handelt, das das redaktionelle Wording der Previews nutzt oder es sich um ein Fehler handelt, bleibt unklar; sollte die Anzeigenmarkierung ein Fehler sein, veröffentlichte hier ein Redakteur eine Vorschau, obwohl er zuvor Teil von Werbevideos war.


Bereits häufiger wurde seitens der GameStar-Redaktion argumentiert, dass Redakteure in Werbeinhalten gar keine Redakteure seien.

„Michi arbeitet als Video Host und Producer, nicht als Redakteur oder Spieletester.“

Doch auch bei Michael Obermeier gibt es widersprüchliche Aussagen. In der Beschreibung eines Videos über Hyper Scape heißt es zum Beispiel:

„GameStar-Redakteure Michael Obermeier und Fabiano Uslenghi und konnten einen Blick auf den Battle Royale-Shooter werfen und klären im Talk, was Hyper Scape neu und richtig macht, wo noch Verbesserungspotenzial steckt und wie die Chancen im Vergleich zu den anderen stehen.“

(Quelle)

Michael Obermeiers Name wird in diversen Videos unter dem Wort „Redaktion“ genannt, sowohl bei Tests als auch Previews, zum Beispiel hier, hier, hier oder hier.

Auch über Christian Schneider heißt es:

„Im Video erklärt unser Redakteur Christian Fritz Schneider, an welche Herausforderung sich Remedy mit Control wagt, woran das Spiel scheitern kann und warum der Mystery-Shooter trotzdem eines der spannendsten Projekte des Sommers ist.“

(Quelle)

Der Text stammt nicht von Youtube, sondern von GameStar.de, obwohl es heißt, die beiden seien entweder keine Mitglieder der Redaktion oder ihre Arbeit habe keinen Einfluss auf die Berichterstattung auf GameStar.de. In einer weiteren Videobeschreibung heißt es:

„Warum ihr euch Nioh 2 trotzdem auf dem PC anschauen solltet, erklärt unser Redakteur Christian Fritz Schneider im Video.“

(Quelle)

Im folgenden Text wird Christian Schneider nicht nur Redakteur genannt:

„In diesem Vorschau-Video zeigt unser Redakteur Christian Fritz Schneider Gameplay aus der Demo und fasst die wichtigsten Infos aus seinem Interview mit den Entwicklern zusammen. Im Gespräch mit unserer Redaktion haben die Macher erklärt, was sie geändert haben und warum.“

Again: Laut Heiko Klinge, Chefredakteur der GameStar, ist Christian Schneider kein Mitglied des „GameStar-Redaktionsteams“, sondern gehört zum „Youtube- und Livestream-Team“, obwohl es in einer Videobeschreibung aus dem Juli 2020 heißt, im Gespräch mit „unserer Redaktion“, in dem Fall Christian Schneider, habe sich ein Studio so und so geäußert.

Das Herumreiten auf Begrifflichkeiten mag kleinlich wirken, doch offenbar unterscheidet die GameStar-Chefredaktion nach Belieben, wann jemand ein Mitglied der Redaktion ist und wann nicht. Ein anderes Beispiel zeigt das Problem sehr deutlich.


In einer groß angelegten Werbekampagne für das Kartenspiel Magic veröffentlichte GameStar mehrere Videos innerhalb weniger Wochen im Herbst 2020.

„Endlich Magic lernen: So meistert ihr das komplexeste Spiel der Welt“

(Quelle)

„Diese 30 Tipps hätten wir als Magic-Neulinge dringend gebraucht“

(Quelle)

„Der beste Zeitpunkt, mit Magic anzufangen: So dominiert ihr die neue Erweiterung“

(Quelle)

In allen drei Videos ist folgendes zu sehen:

(Quelle)

Folgt man der Argumentation der GameStar-Chefredaktion, die sinngemäß behauptet, das „Youtube- und Livestream-Team“ gehöre nicht zum aktuellen GameStar-Redaktionsteam und ist daher nicht Teil der Vorstellung der einzelnen Redaktionsmitglieder unter „unser Team“, stellt sich nun folgende Frage:

Wieso wirkt Maurice Weber in Werbevideos mit, wenn er doch in der Teamvorstellung unter „unser Team“ zu finden ist?

Dort heißt es, er sei „Video Host & Producer“ und „verantwortlich“ für Videos. Hier wird zwar erneut das Wording „Redakteur“ vermieden, aber der Argumentation der Chefredaktion zufolge ist sein Auftauchen in der Teamvorstellung ein Zeichen dafür, dass er Teil des „aktuellen GameStar-Redaktionsteams“ sein soll.

Obwohl es im Kodex heißt, er sei bereits seit August 2012 im Team, stimmt das für seine Tätigkeit als „Video Host & Producer“ nur bedingt. In einem Kommentar vom 27. Juli 2020 schreibt er:

„Ich bin vor einigen Monaten Vollzeit in unser Videoteam gewechselt […]“

(Quelle)

Kurze Zusammenfassung: Ein Redaktionsmitglied der GameStar wechselte 2020 ins Videoteam, das laut GameStar-Chefredakteur nicht Teil des „aktuellen GameStar-Redaktionsteams“ sein soll, sondern offenbar eine eigene Abteilung, und dennoch ist er weiterhin in der Teamvorstellung im GameStar-Kodex zu sehen, in dem laut Chefredakteur das „aktuelle GameStar-Redaktionsteam“ zu sehen ist, und wirkt währenddessen – offenbar als aktuelles Mitglied der Redaktion – in Werbevideos mit.

Auf GameStar.de heißt es in der Videobeschreibung zu den Magic-Werbevideos:

„Hinweis zur Werbung: Dieses Video ist eine bezahlte Kooperation mit Wizards of the Coast. Unsere Partner übernehmen die Produktionskosten, machen uns aber keine inhaltlichen Vorgaben.“

(Quelle)

Ein wichtiger Punkt wird hier erwähnt: Obgleich Geld fließt, werden der GameStar keine inhaltlichen Vorgaben gemacht. Ein Spiel oder Produkt automatisch gut zu finden, scheint also nicht Teil des Deals zu sein. Eine vollständige Trennung von Anzeigenabteilung und Redaktion scheint aber dennoch nicht mehr gegeben zu sein, da ein Redakteur hier Teil von Werbung ist. Nein, anders: Die Werbung arbeitet sogar gezielt mit dem Namen eines bekannten GameStar-Redakteurs.

(Quelle)

Auch in den anderen beiden Videos ist er persönlich in den Thumbnails zu sehen. Die Bekanntheit des Redakteurs und seine Leidenschaft für Magic-Karten werden bewusst für die Verbreitung von Werbung genutzt.


Abseits von Magic-Karten tummelte er sich in allerlei Livestreams, offenbar passend zur Jobbeschreibung „Video Host“. Und auch hier fällt eines sofort auf:

„Endlich wieder RTS! – Spellforce 3: Fallen God – Das neue Addon LIVE mit Maurice #Werbung“

(Quelle)

Na klar, es handelt sich um Werbung, der dreistündige Stream ist durchgehend mit „Dauerwerbesendung“ gekennzeichnet. Über Spellforce 3 hat Maurice Weber übrigens in der Vergangenheit redaktionell berichtet – er war 2017 der Tester des Spiels. In einem gesponserten Livestream zu Medieval Dynasty war er ebenfalls zugegen, sein Name wurde erneut prominent in die Headline gesetzt.

„Medieval Dynasty – LIVESTREAM: Mit Maurice ins Mittelalter #Werbung“

(Quelle)

In einem weiteren Stream geht’s nicht nur um Commandos: Partisans 1941, sondern auch um: Werbung.

„Weltkriegs-Taktik wie bei Commandos: Partisans 1941 im Livestream mit Maurice und Jules! #Werbung“

(Quelle)

Drei Stunden „Dauerwerbesendung“ mit einem Mitglied des „aktuellen GameStar-Redaktionsteams“.

In einem von Deep Silver bezahlten Video erzählt Weber, wie Wasteland 3 das bekannte Fallout fortsetzt. Passend zu Wasteland 3 veranstaltete er zusammen mit Kollege Julius Busch einen Livestream, dessen Produktion ebenfalls Deep Silver zahlte und es sich somit um Werbung handelte. Wer denkt, da sitzen zwei vielleicht, vielleicht auch keine Redaktionsmitglieder der GameStar in einem Livestream und spielen dieses und jenes, der irrt. Gewaltig sogar.

Tatsächlich zocken die beiden über drei Stunden zwei Spiele von Deep Silver in einem laut Videobeschreibung gesponserten Livestream und tragen dabei, ähm – Kostüme. Mit folgender Headline: „EISERENE SPIELE, EISERNE MÄNNER!“ Auf ein Bild davon verzichte ich, halte es aber für unbedingt erwähnenswert – besonders dann, wenn Maurice Weber nur einen Monat zuvor in einer redaktionellen Video-Preview über Wasteland 3 am Start war.


Im GameStar-Kodex ist die Position von Maurice Weber mit „Video Host & Producer“ angegeben mit der Verantwortlichkeit „Videos“, er wirkt darüber hinaus in etlichen Werbestreams mit und war auch für Werbevideos verantwortlich, zum Beispiel einen Monat nach dem bezahlten Livestream über Wasteland 3 und zwei Monate nach der redaktionellen Preview über Wasteland 3 veröffentlichte er ein durchgehend mit Werbung gekennzeichnetes Video – über Wasteland 3, wie weiter oben bereits erwähnt.

Gleichzeitig schreibt er weiterhin redaktionelle Texte, wie erst kürzlich am 10. April 2021.

„Riesen-Preview: Wird Age of Empires 4 das Strategie-Comeback unserer Träume?“

(Quelle)

Es handelt sich nicht nur um irgendeine Vorschau, sondern um eine achtseitige (!) „Riesen-Preview“, die auf Gesprächen mit Entwicklern und einer Präsentation basiert. Nur einen Monat zuvor schrieb er eine Preview zu Distant Kingdoms.

„Distant Kingdoms angespielt: Bis zum Fantasy-Anno ist der Weg noch weit“

(Quelle)

Im November 2020 trat er als Tester auf.

„Godfall im Test: Das neue Anthem“

(Quelle)

Warum ein „Video Host & Producer“, der für „Videos“ verantwortlich ist, plötzlich redaktionell-journalistische Testberichte schreibt, obwohl laut Chefredakteur das „Youtube- und Livestream-Team“ gar kein Teil des „aktuellen GameStar-Redaktionsteam“ ist, wird in dem fünfseitigen Artikel nicht deutlich. Und im Juni 2020 veröffentlichte er eine Preview zu Spellforce 3.

„SpellForce 3: Fallen God zeigt: Es gibt noch RTS-Erfolgsgeschichten!“

(Quelle)

Auch eine Vorschau zu Iron Harvest schrieb Weber, veröffentlicht am 12. April 2020.

„Iron Harvest in der Vorschau: Der RTS-Lichtblick, den wir nach Warcraft 3: Reforged brauchen“

(Quelle)

Das heißt: Maurice Weber schrieb über Iron Harvest und Spellforce 3 journalistische Berichte, bevor er in gesponserten Livestreams zu den gleichen Spielen auftrat.


Auch ein anderes Mitglied vom „Youtube- und Livestream-Team“ tritt häufiger in gesponserten Livestreams auf: Julius Busch. Der ehemalige PR-Manager von Rockstar war zusammen mit Weber Teil des bereits erwähnten Livestreams zu Commandos: Partisans 1941, wirkte aber noch in etlichen anderen mit. Etwa zu World of Warcraft:

„Auf in die Shadowlands! Startgebiet, Pakte & der Endlos-Dungeon – !wow #Werbung“

(Quelle)

Oder zu Destiny 2.

„Schaffen wir den RAID? – Destiny 2: Jenseits des Lichts – #Werbung“

(Quelle)

Oder zu Doom Eternal.

„Wer ist der bessere Doom Slayer? Doom Eternal – The Ancient Gods live mit Michi und Jules! #Werbung“

(Quelle)

Oder zu Multiplayer-Games.

„Rainbow Six & Fall Guys mit Fabian, Julius, Dhalucard & Heider im chaotischen Kampf! (Werbung)“

(Quelle)

Oder zu Final Fantasy 14 Online.

„Final Fantasy 14 Online: Wir stürzen uns ins Update der Gratis-Testversion #Werbung“

(Quelle)

In der Teamvorstellung des GameStar-Kodex‘ ist Julius Busch nicht zu finden, scheint demnach also nicht Teil des „aktuellen GameStar-Redaktionsteams“, sondern des „Youtube- und Livestream-Teams“ zu sein. Im Rahmen einer anderen Angelegenheit wurde seine Position als „Angesteller bei Webedia Gaming GmbH (vorranging für Twitch/MAX und seit Mai auch wieder bei GameStar-Youtube“ beschrieben. Und der GameStar-Chefredakteur bezeichnet ihn als „Creative Director“ und „Anchorman“:

„Als Creative Director und „Anchorman“ wird er sich um den Auf- und Ausbau des Livestreaming-Programms von MAX [MonstersandExplosions, Webedias Twitch-Kanal] kümmern.“

(Quelle)

Eine genauere Jobbeschreibung ist aber gar nicht nötig, denn seine Arbeit spricht Bände: Im Juli 2020 veröffentlichte Julius Busch einen redaktionellen Artikel über Die Gilde 3. Auf GameStar.de. Weit weg von Youtube und Twitch.

(Quelle)

Und dann gibt es natürlich noch die Videos auf Youtube, in denen er als „Redaktion“ angegeben ist – ohne Werbung, ohne Anzeigen.

(Quelle)
(Quelle)
(Quelle)

Einige Beispiele könnten hier noch folgen, aber hey, man braucht gar nicht auf Youtube zu gehen, um seine Videos zu sehen – die sind nämlich auch teilweise auf GameStar.de gelistet.

(Quelle)

Unter den Videos findet sich auch ein Test. Ein ganz traditionelles, journalistisches Format. Und da wird die für den Test zuständige Person so genannt:

„Redakteur Julius Busch spielt seit 12 Jahren jedes FIFA und erklärt euch in diesem Test-Video, warum FIFA 21 zwar ein tolles Fußballspiel, aber keine besonders gute Fortsetzung der Reihe ist.“

(Quelle)

Oder so:

„Redakteur Julius Busch stellt euch in diesem Video 11 spannende Strategiespiele vor, die wir voraussichtlich in diesem Jahr noch spielen können.“

(Quelle)

Oder so:

„Von Far Cry 6 über Dying Light 2 bis hin zu Horizon: Forbidden West zeigt euch Redakteur Julius Busch in diesem Video die 8 spannendsten Open-World-Titel, die voraussichtlich noch im Jahr 2021 erscheinen werden.“

(Quelle)

Oder so:

„Redakteur Julius Busch fasst in diesem Video in unter 10 Minuten zusammen, was wir bisher über Crimson Desert wissen.“

(Quelle)

Und so weiter und so fort. Der als „Creative Director“ beschriebene Julius Busch, der laut Vorstellungsrunde im GameStar-Kodex unter „unser Team“ nicht Teil des aktuellen „GameStar-Redaktionsteams“ ist, schreibt redaktionelle Artikel und dreht redaktionelle Videos, sowohl für Youtube als auch für GameStar.de, wirkt aber zeitgleich in zahlreichen bezahlten Livestreams mit, obwohl Anzeigenabteilung und Redaktion getrennt arbeiten sollen.

Leider wird es noch verwirrender.


Neben der „Über uns“-Seite und der Vorstellung der einzelnen Redakteur*innen im GameStar-Kodex, der laut Chefredakteur das aktuelle Redaktionsteam abbildet, findet sich auf GameStar.de noch eine „About“-Unterseite. Wer Redaktionsmitglied ist und wer nicht, wird dadurch allerdings nicht transparenter. Ja, GameStar unterscheidet hier zwischen „Redaktion GameStar“ und „Video“, allerdings wird Maurice Weber im Teil „Video“ gelistet, obwohl er auch in der „Über uns“-Vorstellung des „aktuellen Redaktionsteams“ im Kodex zu sehen ist.

Allerdings kann die „About“-Unterseite Klarheit schaffen über eine Redakteurin der GameStar, die hier unter „Redaktion“ aufgeführt wird: Marylin Marx. In der Teamvorstellung im GameStar-Kodex‘ heißt es, sie sei für „Community-Management/Redaktion“ zuständig. Da können also keine Zweifel aufkommen, ob sie Teil der aktuellen Redaktion ist, denn das ist sie. Eigentlich.

Tatsächlich wirkte die Community-Managerin/Redakteurin in mehreren gesponserten Livestreams mit. In Zusammenarbeit mit Hersteller Riot veranstaltete GameStar sowohl Community-Streams als auch Turniere gegen bekannte Streamer wie die Rocket Beans.

Am 7. Juli 2020:

„Community-Stream: Wir spielen VALORANT und ihr könnt !mitspielen (WERBUNG)“

(Quelle)

Am 8. Juli:

„Wir spielen VALORANT gegen Rocket Beans und Bonjwa (WERBUNG)“

(Quelle)

Am 31. Juli:

„Wir spielen VALORANT gegen NerdStar (WERBUNG)“

(Quelle)

Am 4. August:

„VALORANT – Die Revanche gegen NerdStar (WERBUNG)“

(Quelle)

Am 12. August:

„VALORANT – Die REVANCHE gegen Rocket Beans und Bonjwa (WERBUNG)“

(Quelle)

Am 19. August:

„Community-Stream: Wir spielen VALORANT und ihr könnt !mitspielen (WERBUNG)“

(Quelle)

Sechs bezahlte Livestreams, die laut Videobeschreibung in „Zusammenarbeit mit Riot“ entstanden sind, die also die Produktionskosten übernahmen, aber keine inhaltlichen Vorgaben gemacht haben. In allen (!) Livestreams wirkt – neben Michael Obermeier – auch Marylin Marx mit, offizielles Redaktionsmitglied der GameStar. Ebenfalls ist sie Teil eines als Werbung gekennzeichneten Livestreams zum zehnjährigen Jubiläum von PlayStation Plus, der in „Kooperation“ mit Sony entstand.

Das heißt: Eine GameStar-Redakteurin scheint Teil einer großen Werbekampagne gewesen zu sein. Im GameStar-Kodex heißt es aber eigentlich:

„Wir verpflichten uns auf allen Kanälen zu einer klaren Kennzeichnung von werblichen Inhalten. Diese müssen klar erkennbar durch die Begriffe »Anzeige« oder »Werbung« gekennzeichnet sein und werden ohne Mitwirkung der Redaktion erstellt.“

Sechs mit „Werbung“ gekennzeichnete Livestreams über das Spiel Valorant entstanden nachweislich mit der Mitwirkung eines offiziellen Redaktionsmitglieds.

In ihrer Tätigkeit als Redakteurin hat sie auf GameStar.de über verschiedene Spiele berichtet – unter anderem über Valorant (immerhin vor den gesponserten Livestreams); aktuell ist sie als Co-Autorin im Testbericht zu Mass Effect: Legendary Edition angegeben. Sie veröffentlichte ein Testupdate zu Apex Legends. Der Test zu Kingdom Hearts 3 stammt von ihr, ebenso die Preview zu Cozy Grove oder auch ganz normale News.


Arbeitet die GameStar redaktionell unabhängig? Die Antwort dürfte lauten: ja, das tut sie. Dubiose Absprachen mit Publishern für Testberichte oder Previews oder Livestreams stehen hier nicht zur Debatte, Anzeichen dafür gibt und gab es ohnehin nicht. In der eigenen, oft mit großem Aufwand erklärten Darstellung von seriösem Journalismus, der sich nicht nur dem Pressekodex verpflichtet, sondern eine eindeutige Trennung von Anzeigenabteilung und Redaktion vorsieht, kommt es jedoch zu Widersprüchen.

Und diese Widersprüche lassen sich nicht auflösen, obwohl die Chefredaktion höchstpersönlich zu vermitteln und zu erklären versuchte. GameStar-Journalist*innen, die in gesponserten Livestreams mitwirken? Nein, heißt es, das sind keine Redaktionsmitglieder, sondern Teile des „Youtube- und Livestream-Teams“, und für diese Gruppe scheint die Trennung von Werbung und Redaktion nicht zu gelten, obwohl im Kodex geschrieben steht, „auf allen Kanälen“ entstehe Werbung ohne Mitwirkung der Redaktion. Stellt sich die Frage: Was nu‘?

Nicht nur im GameStar-Kodex selbst, auch in begleitenden Podcasts, Kolumnen und anderen Texten schwört die Chefredaktion die Leserschaft auf einen hochwertigen, journalistischen Qualitätsanspruch ein. Explizit eingeschlossen: Video- und Livestream-Inhalte, die in mehreren Kodex-Formulierungen auftauchen. Oder nun doch nicht? Die Erklärung des Chefredakteurs lässt viel Spielraum für Interpretationen. Fakt ist: Abseits der Youtube-Teammitglieder haben im Kodex gezeigte Redakteur*innen in gesponserten Inhalten mitgewirkt.

Dass Spieleredaktionen mittlerweile mit vielen Werbeformen konfrontiert werden, ist klar, denn sobald sich das Format der journalistischen Arbeit verändert – von Print-Erzeugnis zu Onlineportal zu Youtube zu Social Media zu Livestreaming – gehen auch die Möglichkeiten der Werbung in die Breite. Gesponserte Livestreams sind daher nur logisch – nur zu welchem Preis? Inhaltliche Vorgaben mag es nicht gegeben haben und das sollte man der GameStar auch glauben, doch die Definition von verschiedenen Redaktionen und Nicht-Redaktionen, die unterschiedliche Richtlinien haben oder eben gar keine, sind unwürdig für ein Magazin, das sich seit Jahren massiv von Influencer*innen abzugrenzen versucht.

GameStar betont in allen Livestreams, die Publisher oder Studios bezahlen zwar die Produktionskosten, nehmen aber keinen Einfluss auf den Inhalt, das gleiche soll auch für einige der hier gezeigten Werbevideos gelten. Und ja, das merkt man, viele der Streams oder Videos sind hochwertig produziert, auch Kritik wird geäußert, etwa im gesponserten Livestream zu Spellforce 3, in dem es heißt, das Studio hätte sich für Verbesserungen/Versprechungen zu lange Zeit gelassen. Im Prinzip handelt es sich um bezahlte Previews, inhaltlich meist harmlos, oft aufwendig produziert – und in Zusammenarbeit mit Redakteur*innen erstellt. Spätestens da hört die Harmlosigkeit auf.

Eine komplette Trennung von Anzeigenabteilung und Redaktion kann nicht gewährleistet werden, wenn Redaktionsmitglieder, ob Video-, Livestream- oder Gamestar.de-Team, in werblichen Inhalten mitwirken, unabhängig von inhaltlichen Vorgaben des Publishers. Zumal die ungenaue, lapidare, man möchte sagen: sich bei Kritik zurecht gebogene Definition von Redaktion oder Youtube-Team den Kodex insgesamt nicht mehr als ein Lippenbekenntnis erscheinen lässt. Na klar funktioniert ein Videoteam anders als eine auf Online-Artikel fokussierte Redaktion. Ein wie auch immer geartetes Team, das Inhalte für Youtube oder Twitch erstellt, arbeitet aber immer genau dann als journalistische Redaktion, wenn diese Arbeit unter dem Namen und der Flagge des größten deutschsprachigen Spielemagazins namens GameStar passiert. Genau deswegen prangt in hunderten Videos das Wort „Redaktion“, weil nun mal redaktionelle Tätigkeiten, Abläufe und Positionen auch mit der Erstellung von Video-Inhalten verbunden sind.

Doch all das nur, um letztlich zwischen Redaktionen zu unterscheiden und den damit einhergehenden Richtlinien, die mal hier, mal dort oder mal gar nicht gelten.

Nun gehört es zu den Aufgaben einer Chefredaktion entsprechend zu kommunizieren, dass – entgegen aktueller Regeln – die Redaktion eben doch nicht gänzlich von Werbung getrennt werden kann, dies aber nicht die Unabhängigkeit des eigens ausgerufenen „journalistischen Qualitätsanspruchs“ gefährdet. Man könnte festhalten, dass „Video Hosts“ oder „Producer“ eben keine Artikel auf GameStar.de schreiben dürfen, dafür aber in Werbestreams auftreten können. Klarheit schaffen. Jobpositionen erklären. Redaktion und Werbung erst definieren – und dann verbinden oder trennen. Größe würde das beweisen und verloren gegangenes Vertrauen wieder herstellen.

Doch bislang ist das Gegenteil geschehen: Nach der eingangs erwähnten Stellungnahme des Chefredakteurs haben weitere User kritische Nachfragen gestellt.

  • Warum sollte zum Beispiel Christian Schneider kein Redakteur sein, wenn seine Videos doch auch auf GameStar.de erscheinen?
  • Warum sollten die Mitglieder des „Youtube- und Livestream-Teams“ keine Redaktionsmitglieder sein?
  • Und warum gilt der Kodex nicht für auch für sie, obwohl doch im Kodex explizit auch Video- und Livestream-Inhalte erwähnt werden?

Fragen, die die Chefredaktion – Stand: 16. Mai – folgendermaßen beantwortet hat:

Gar nicht.

Oder um es mit den Worten des Chefredakteurs auszudrücken, der in einer Kolumne 2019 begleitend zum Erscheinen des GameStar-Kodex‘ schrieb:

„Wir wollen und müssen uns euer Vertrauen verdienen – und das geht nur, indem wir euch transparent machen, nach welchen Regeln, welchen Qualitätsmaßstäben unsere Redaktion arbeitet.

(Quelle)

Nicht nur ist nicht klar, welche Regeln für wen gelten – es ist sogar völlig ungewiss, was das Wort „Redaktion“ überhaupt für die GameStar bedeutet.

Nachtrag, 22. Mai 2021:

Der GameStar-Chefredakteur hat sich in einem zweiten Statement zur Kritik im Forum geäußert. Warum das allerdings nicht viel gebracht hat, habe ich hier aufgeschrieben.

5 Kommentare

  1. Mich irritieren die Verwirrungen der vermeintlich unabhängigen redaktionellen Inhalte vs Werbung bei Gamestar schon mindestens die letzen 5 Jahre.Womöglich sogar länger. Doch die letzen ~2-3 Jahre haben ihr Werbe-Engagement massiv zugenommen, insbesondere auch auf deren Youtube Kanal, in denen sie Influencer-Gedöhns nachzuäffen versuchen.

    Ich bin einfach gestrickt:
    Für eine Redaktion die von sich behauptet unabhängig zu sein und angeblich Redaktion und Werbung zu trennen verspricht, produzieren sie verdammt viel eigenen Werbecontent für Werbepartner, den sie persönlich mit Namen unterschreiben und mit Presents moderieren.
    Ich weiß nicht was mich mehr irritiert; dass sie überhaupt Werbecontent produzieren, oder aber, wie gut und aufwendig sie es für ein angeblich unabhänigiges Magazin inzwischen können.

    Für mich haben Gamestar und alle beteiligten Redakteure jegliche Glaubwürdigkeit verwirkt, wenn sie sich persönlich für produzierte Werbung in dieser hohen Anzahl hergeben. Deren „Wohlwoll-Sprech“ zieht sich durch sämtliche Artikel und Spieleberichte durch, insbesondere die nicht als Werbung gekennzeichneten. Deren Inhalte sind voneinander retorisch nahezu nicht zu unterscheiden, allen voran ihre für mich vermeintlich unabhängigen Spiele Pre- und Reviews, Anthem, Fallout 76 und Cyberpunk 2077(!) als Beispiel.
    Letzteres grenzte die Art und Weise der Berichterstattung zu CP2077 letztes Jahr für mich am am Rande der Obszönität. Dauerhaftes massives schönsprechen und dabei negatives so lange unter dem Tisch fallen lassen bis es offensichtlich und öffentlich nicht mehr geleistet werden kann.

    Ein mir bekannter Marketingmanager hat mir das mal in einer Unterhaltung schön erklärt.
    „Du kannst zwar einen Autor mit Talent aus der Werbemarketing entfernen, aber nicht das Werbemarketing mit seinem Talent aus dem Autor.“

    Meinen Beobachtungen nach führen die Gamestar Redaktion genau das aus, was die Webedia Homepage ihren zahlenden Kunden großspurig verspricht, welche, und das ist wichtig zu wissen, weder die Leser noch die Gamer sind.

    Ein glaubwürdiges Gamer und Gaming Magazin ist Gamestar meiner Meinung nach schon lange nicht mehr, auch wenn die Redaktion tatsächlich glaubt noch eines zu sein.

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  2. Ach, Webedia hat es nicht so mit Trennung von Journalismus und PR. Schau dir einfach mal an, wie oft sich Gamepro-Chefredakteurin von Marken vereinnahmen lässt „als Expertin“ – von Microsoft, Logitech usw.

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  3. Verstehe die Aufregung nicht, als ob es so lebenswichtig wäre über Videospiele zu berichten. Ich rege mich täglich über Verletzungen der journalistischen Sorgfaltspflicht auf, aber das ist doch wirklich total unwichtig. Am Ende geht’s um Produkte, bei denen jeder irgendwo zwischen „mag ich“ und „mag ich nicht“ landet…

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    1. Naja, es hat ja niemand gesagt, dass es „lebenswichtig“ wäre über Videospiele zu berichten. Und Verletzungen der journalistischen Sorgfaltspflicht finde ich alles andere als unwichtig, deswegen braucht es dringend Seiten wie Bildblog oder Übermedien, damit diese Sachen öffentlich aufgezeigt und diskutiert werden. Dass es bei Medienkritik zum Spielejournalismus alles ein bisschen „harmloser“ zugeht, ist ja ebenso klar, hier werden nicht im großen Stil große politische Kampagnen gegen Einzelne gefahren. Trotzdem glaube ich, dass Kritik an GameStar und Co nicht unwichtig ist. Und falls andere das doch so sehen, ist das völlig okay, aber dann sollten sie vielleicht keine medienkritischen Blogs besuchen. 😉

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